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Große Defizite bei gesundheitlicher und psychosozialer Förderung von sozial benachteiligten Familien / Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin sieht dringenden Handlungsbedarf

Geschrieben am 26-10-2007

Würzburg (ots) - Kinder und Jugendliche sind nach den Ergebnissen
des ersten Kinder- und Jugend-Survey (Kiggs) des
Robert-Koch-Instituts (RKI) offenbar bei weitem nicht so gesund wie
bisher vermutet. Besonders schlecht sieht es um die Gesundheit und
psychosoziale Versorgung benachteiligter Kinder - zum Beispiel aus
Hartz IV- oder Migrantenfamilien - aus. Die Deutsche Gesellschaft für
Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fordert deshalb Vorsorge-
und Beratungsangebote, mit denen isolierte oder gefährdete Familien
auch tatsächlich erreicht werden können.

Für den Würzburger Sozialpädiater Professor Hans-Michael
Straßburg, Vizepräsident der DGSPJ; besteht dazu akuter
Handlungsbedarf. Dieser basiert auf den Ergebnissen der bundesweit
repräsentativen Kiggs-Studie, in die 17.641 Jungen und Mädchen im
Alter von Null bis 17 Jahren einbezogen worden sind. Dabei handelt es
sich um die verlässlichsten Daten, die es in Deutschland je zum Thema
Kindergesundheit gegeben hat. Wie Heike Hölling von der Abteilung
Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung der RKI bei der 59.
Jahrestagung der DGSPJ in Nürnberg berichtet hat, zeigt jedes siebte
Kind in Deutschland Symptome für psychische Auffälligkeiten. Das
Ausmaß der psychischen Probleme hänge eindeutig mit dem
sozioökonomischen Status zusammen. Fast jedes vierte Kind mit
niedrigen sozialen Status zeigt psychische Auffälligkeiten. Bei
Kindern aus Familien mit hohem sozioökonomischem Status sind es
dagegen lediglich 8,1 Prozent. Bei Kindern mit Migrationshintergrund
werden Verhaltensauffälligkeiten häufiger festgestellt als bei
Kindern von Nicht-Migranten. Jeder fünfte Jugendliche im Alter
zwischen elf und 17 Jahren hat zudem Anzeichen für eine Essstörung.
Dabei sind Mädchen mit 28,9 Prozent hochsignifikant häufiger
betroffen als Jungen (15,2 Prozent). Auch hier weisen Mirgantenkinder
im Vergleich zu Nicht-Migranten eine um 50 Prozent erhöhte Quote auf.

Aus diesen und und vielen weiteren alarmierenden Daten der
Kiggs-Studie leitet Straßburg die Forderung ab, die Strukturen einer
sozialen und psychosozial ausgerichteten Pädiatrie in Deutschland zu
stärken. Notwendig sei dazu zunächst einmal ein Votum des Deutschen
Ärztetages, um die qualifizierte Weiterbildung in der Sozialpädiatrie
anzuerkennen. Sozialpädiatrisch orientierte Ärzte widmen sich
gesundheitlich benachteiligten Kindern und Jugendlichen in ganz
besonderer Weise. Weiterhin müßten bereits im Studium, in der
Facharztweiterbildung und in der Fortbildung Themen, die die
gesundheitliche Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen
widerspiegeln, in größerem Umfang berücksichtigt werden. Zwingend
notwendig sei es auch, den bisher einzigen Lehrstuhl für
Sozialpädiatrie an der Universität München, der derzeit zur
Disposition stehe, zu erhalten.

All dies werde aber nur wenig nutzen, wenn nicht rasch verbesserte
Versorgungsstrukturen für die gesundheitlich besonders gefährdeten
Kinder und Jugendlichen in Deutschland geschaffen werden, meint
Straßburg. Dazu sei es notwendig, den Öffentlichen Gesundheitsdienst
so zu stärken, dass Kinder- und Jugendärzte Kindergärten- und Schulen
von sich aus aufsuchen können, damit kein Kind aus dem
Versorgungssystem herausfallen kann. Wirkungsvoller ist jedoch die
frühe Vorsorge. So wollen einige Bundesländer nun vor allem die
effektive Frühprävention für alle Kinder bis zum Alter von vier
Jahren voran teiben. Werden die Früherkennungsuntersuchungen U4 bis
U9 nicht wahrgenommen, ergreift das Jugendamt die Initiative, indem
zunächst schriftlich an die versäumte Vorsorge erinnert wird. Falls
sich die Eltern auch dann nicht melden, werden die Familien direkt
aufgesucht. Damit können auch die benachteiligten oder isolierten
Kinder erreicht werden, die ansonsten bereits nach dem ersten
Lebensjahr aus jeglicher gesundheitlichen Versorgung herausfallen.
Schließlich muss nach Ansicht von Straßburg insbesondere die
psychosoziale Versorgung von Familien verbessert werden. Denn viele
Eltern von Risikokindern beklagen nach den Ergebnissen einer
repräsentativen Umfrage der Organisation Kindernetzwerk e.V., dass
sie zu wenig Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung oder der
Sozialberatung erhalten. Auch bei Familienkrisen - etwa bei
finanzieller Überforderung oder nach Trennungen - blieben allzu viele
Familien auf sich allein gestellt.

Originaltext: Dt. Ges. f. Sozialpäd. und Jugendmedizin
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55202
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55202.rss2

Pressekontakt:
Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg
Universitäts-Kinderklinik Würzburg
Tel: 0931 / 201 27709
Mail: Strassburg@mail.uni-wuerzburg.de


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