Palliativversorgung quo vadis? / 64. Aachener Hospizgespräche beleuchten Folgen der Gesundheits- und Pflegereform
Geschrieben am 05-11-2007 |
Aachen (ots) - Palliativversorgung, vor wenigen Jahren noch ein Wort für Fachleute, ist durch die Gesetzgebung der jüngsten Gesundheitsreform zu einem fast schon populären Begriff geworden: Für jeden Bürger gibt es inzwischen einen Anspruch auf koordinierte medizinische, pflegerische und psychosoziale Betreuung, wenn er seine letzten Lebensmonate zu Hause verbringen möchte. Wie aber wird dieser Rechtsanspruch in der Praxis tatsächlich umgesetzt? Wo sind Schwierigkeiten, wo liegen die Chancen? Im Bildungszentrum der Grünenthal GmbH in Stollberg sind die 64. Aachener Hospizgespräche am Samstag diesen Fragen mit verantwortlichen Akteuren und weit über 400 Teilnehmern nachgegangen.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries befasste sich in ihrer Rede mit der Sicherung der Selbstbestimmung von Patienten am Lebensende. Die Würde und die Autonomie des Patienten seien nicht nur medizinisch-ethische Themen, sondern auch für Rechtspolitiker von größter Bedeutung. In diesem Zusammenhang betonte Zypries den hohen Wert einer Patientenverfügung und stellte klar: "Wir brauche eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung, die sicher stellt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Patienten in allen Lebensphasen geachtet wird, und die allen Beteiligten mehr Rechtssicherheit gibt."
Prof. Jörg Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, legte Wert darauf, dass Entscheidungen an den Grenzen zwischen Leben und Tod vor allem in der Verantwortung des behandelnden Arztes zu liegen hätten: "Schriftlich niedergelegte Zeugnisse oder auch mündliche Äußerungen beziehen sich immer auf zukünftige Behandlungssituationen, die vom Patienten nicht bis in letzte Konsequenz überblickt werden können. Wir müssen uns also damit abfinden, dass es abschließende Sicherheiten - auch rechtliche - hier nicht geben kann", so der Ärztepräsident. Hoppe warnte in diesem Zusammenhang vor einer Überregulierung, betonte aber ausdrücklich die deutliche Stärkung, mit der Palliativmedizin inzwischen in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung berücksichtigt werde. Der Ärztepräsident verwies auf die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung der Bundesärztekammer sowie die Empfehlungen der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis, die eine gute Orientierung für ärztliches Handeln im Umfeld von Sterben und Tod gäben.
Prof. Lukas Radbruch vom Lehrstuhl für Palliativmedizin am Universitätsklinikum in Aachen wies in seinem Beitrag vor allem auf die vernetzte, interdisziplinäre Zusammenarbeit in palliativmedizinischen Versorgungskonzepten hin. Gerade beim Übergang von zunächst freiwilligen Initiativen in nun gesetzlich abgesicherte Konzepte sei es von entscheidender Bedeutung, das bereits Gewachsene nicht zu zerschlagen. Bei der Überführung in rechtlich saubere und vor allem vertragsfähige Strukturen dürfen aber die Zusammenarbeit der Dienste und Berufsgruppen und die flexible Orientierung an den Bedürfnissen der Patienten nicht verloren gehen. "Wir müssen zusehen, dass die Palliativ- und Hospizdienste, die jetzt schon gut und engagiert arbeiten, in die Lage versetzt werden, zukünftig als Partner der Kostenträger weiterhin für die Betreuung schwerstkranker Patienten Verantwortung zu übernehmen." Von besonderer Bedeutung werde es dabei sein, so Radbruch, die qualitativen Standards, die sich bislang in der Palliativversorgung etabliert hätten, nicht durch Billigangebote zu verwässern. "Ich sehe große Chancen in der Gesetzgebung, ich sehe aber auch die große Gefahr, dass die bisherigen, gut funktionierenden Kooperations- und Betreuungsmodelle zerrieben werden, wenn sie von den Kassen eher in einen Kosten- als in einen Qualitätswettbewerb gedrängt werden," betonte der Palliativspezialist aus Aachen.
Prof. Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS), stellte die neu erarbeitete Ethik-Charta der DGSS vor. Noch immer, so Zenz, sind viele ethische Fragen für Patienten und Ärzte offen. Wichtig sei es daher, ethische Kriterien zu Entscheidungsfindung in der Schmerztherapie zu erarbeiten. "Erst wenn wir ethische Aspekte in der Behandlung unserer Patienten berücksichtigen und benennen können und hier auf fundierter Grundlage entscheidungsfähig werden, sind wir als Schmerztherapeuten dialogfähig", so der DGSS-Präsident. Ausdrücklich wies Zenz in diesem Zusammenhang auf die zu den Hospizgesprächen fertig gestellte englische Übersetzung der Charta hin: "Schmerz und Palliativversorgung sind keine nationalen Probleme, sondern alle Industrienationen weltweit sind hier mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert. Wir wollen mit der englischen Ausgabe unserer Charta zu einem internationalen Dialog anregen und Modelle des gegenseitigen Lernens initiieren", so der Schmerzspezialist von der Ruhr-Universität Bochum.
Veronika Schönhofer-Nellessen, als Leiterin der Aachener Servicestelle Hospiz für Organisation und Durchführung der Aachener Hospizgespräche verantwortlich, verwies ausdrücklich auf die Notwendigkeit, alle Beteiligten - ob ambulante, stationäre, ehrenamtliche oder professionelle Institutionen und Dienste - an der Gestaltung der regionalen Netzwerke von Anfang an mit einzubeziehen. Auch der Beitrag der ehrenamtlichen Mitarbeiter sollte dort seinen Platz haben. "Wir müssen jetzt sehr darauf achten, diese Potenziale mitzunehmen, wenn wir zu gesetzlich unterfütterten und von Krankenkassen finanzierten Versorgungsstrukturen kommen wollen". Nicht zuletzt die kontinuierlichen Hospizgespräche dienten jedoch auch dazu, diesen Dialog der Beteiligten dauerhaft abzusichern. Die konstruktive institutionsübergreifende Kommunikation unter den beteiligten Professionen spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Leiterin der Aachener Hospizstelle sieht sich vor diesem Hintergrund nicht nur für die Patienten und deren Versorgung verantwortlich, sondern betonte ausdrücklich auch die Aspekte der interdisziplinären Austauschs, der dauerhaft gewährleistet werden müsste: "Wir freuen uns, dass wir mit den Aachener Hospizgesprächen ein Forum etablieren konnten, das diesen Austausch kontinuierlich und auf hohem Niveau gewährleistet, und ich danke allen Beteiligten, die sich an diesem Austausch mit ihren Anregungen beteiligen," so Schönhofer-Nellessen abschließend.
Originaltext: Netzwerkstelle Hospiz für Stadt und Kreis Aachen Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66226 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66226.rss2
Kontakt:
Veronika Schönhofer-Nellessen, Netzwerkstelle Hospiz für Stadt und Kreis Aachen. E-Mail: info@servicestellehospizarbeit.de, Tel: 0241. 51 53 490, MO, DI, MI und FR-Vormittag von 09.00-12.00 Uhr.
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