LVZ: Großer Tag
Geschrieben am 02-05-2006 |
Leipzig (ots) - Von André Böhmer Selten ist eine Meldung in der täglichen Nachrichtenflut mit soviel Erleichterung und Freude aufgenommen worden. Das fast hunderttägige Geisel-Drama der beiden sächsischen Techniker im Irak hat ein glückliches Ende gefunden. Das Erinnern und Gedenken von Tausenden bei den Mahnwachen an der Leipziger Nikolaikirche, das tägliche Hoffen und Bangen der nächsten Angehörigen um ihre Söhne, Ehemänner und Väter - das alles hat nun zu einem Happy-End geführt, das viele Skeptiker schon nicht mehr für möglich hielten. Zu bedrohlich erschienen die Video-Sequenzen mit den dramatischen Appellen der Geiseln, allen Forderungen ihrer Kidnapper nachzukommen. Und hörten sie sich politisch auch noch so verworren an. Umso größer ist demzufolge die Freude in diesen Stunden. Im Gegensatz zu den zwei - ebenfalls glimpflich verlaufenen - Geiselnahmen von Susanne Osthoff und Jürgen Chrobog hatte der Fall der beiden Cryotec-Techniker vor allem durch seine lange Dauer an den Nerven aller Beteiligten gezehrt. Immer lauter geäußerte Kritik an der Arbeit des Krisenstabes war zwar emotional nachvollziehbar, entbehrte aber vieler sachlicher Grundkenntnisse. Der im Firmenumfeld von Cryotec öffentlich gemachte Vorwurf, die beiden Sachsen wären nur Geiseln zweiter Klasse, ist durch die stille, aber trotzdem effiziente Arbeit im Kanzleramt und im Außenministerium widerlegt worden. Vorrang bei allen Bemühungen hatte die unversehrte Freilassung der Techniker. Das ist jetzt gelungen und deshalb ist der glückliche Ausgang der Geiselnahme ohne alle Abstriche vor allem ein großer Tag für Verwandte, Freunde und Kollegen von René Bräunlich und Thomas Nitzschke. Ein großer Tag aber auch für ihre Heimatstädte Leipzig und Rackwitz, wo sich die öffentliche Anteilnahme am Schicksal der Entführten auf vielfältige Art und Weise artikulierte. Von den grünen Bändern der Hoffnung bis zu den immer Montags und Donnerstags stattfindenden Mahnwachen - das Schicksal dieser beiden jungen Männer ließ niemanden unberührt. Auch wenn nicht Zehntausende wie in Italien - als die Journalistin Giuliana Sgrena im Irak entführt wurde - auf die Straße gingen und dagegen protestierten. Über die genauen Hintergründe der Befreiung der beiden sächsischen Geiseln wird jetzt viel spekuliert werden. Dass Lösegeld wie in den Fällen Osthoff und Chrobog geflossen ist, kann aber als gesichert gelten. Das Auswärtige Amt wird sich allerdings bedeckt halten, und das ist genau die richtige Strategie. Um weitere Trittbrettfahrer von ihrem verbrecherischen Treiben abzuhalten, muss soviel wie möglich geheim bleiben. Auch mit Blick auf das Schicksal anderer ausländischer Geiseln, die sich im Irak weiter in der Gewalt ihrer Kidnapper befinden. Das sollte bei aller Freude über den glücklichen Ausgang des deutschen Geiseldramas nicht vergessen werden. Genauso wie die genaue Analyse der Hintergründe der Entführung der Cryotec-Techniker. Wurden Sicherheitsstandards fahrlässig nicht eingehalten, müssen daraus Lehren gezogen werden. Damit sich ähnliche Tragödien nicht wiederholen.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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