LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Steuerschätzung/Mehreinnahmen -
Geschrieben am 07-11-2007 |
Leipzig (ots) - Von André Böhmer. Für Peer Steinbrück wäre es eine Art Verrat an sich selbst, wenn er nicht auch hinter guten Nachrichten umgehend eine politische Falle vermuten würde. Deshalb beeilte sich der SPD-Finanzminister mit der Reaktion auf die aktuelle Steuerschätzung. Nein, keine zusätzlichen Ausgaben. Nein, keine Steuersenkungen auf Pump. Das Basta des obersten Kassenwarts ist konsequent und angebracht. Denn die auf den ersten Blick erfreuliche Rechnung des Arbeitskreises Steuerschätzung, dass die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr und auch 2008 stärker steigen als bislang angenommen, kann nicht automatisch der Freifahrtsschein für ein neues Wettrennen der großzügigsten Geschenke-Verteiler sein. Dazu ist die Finanzlage weiter zu angespannt, lastet auf dem Bund nach wie vor die gigantische Schuldensumme von über einer Billion Euro. Ein Betrag, der den Handlungsspielraum kommender Generationen dramatisch einschränken wird, wenn die Entschuldungspolitik nicht endlich konsequent vorangetrieben wird. Zumindest Steinbrück ist da auf dem richtigen Weg, liegt damit quer zur eigenen Partei, aber auf einer Wellenlänge mit der Kanzlerin. Auch Angela Merkel sieht die heranrollende Welle an Ausgabe-Wünschen mit Skepsis. Die von der nach links schwenkenden SPD auf ihrem Hamburger Parteitag beschlossene - und vom Arbeitnehmer-Flügel der Union befürwortete - längere Zahldauer des ALG I für ältere Arbeitslose würde mit knapp drei Milliarden Euro zu Buche schlagen. Nur ein, wenngleich aktuell das typische Beispiel für den unwiderstehlichen Drang zu vorgezogenen Wahlgeschenken. Es wäre aber ein falsches Signal, wenn der wirtschaftliche Aufschwung mit den daraus resultierenden Einnahmen für eine neue und ungebremste Verteilungspolitik herhalten müsste. Zumal die gerade in Schwung gekommene Konjunktur im kommenden Jahr laut Prognose der Wirtschaftsweisen einen Dämpfer erhält. Kein Grund zur Panik, aber ein deutlicher Fingerzeig. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen steht auch mit einem gezügelten Aufschwung nicht zwingend auf der Kippe. Ein Zurückdrehen der jetzt greifenden und unter Rot-Grün begonnenen Reform-Politik würde allerdings die Heilungschancen der maroden öffentlichen Kassen dramatisch mindern.
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