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Rheinische Post: Münteferings schweres Erbe

Geschrieben am 13-11-2007

Düsseldorf (ots) - Von Thomas Seim

Franz Müntefering ist Sauerländer durch und durch. Franz
Müntefering ist katholisch, und er legt Wert darauf. Familie und Ehe
gehören für ihn zu den Grundpfeilern des eigenen Lebens. Die schwere
Krebserkrankung seiner zweiten Frau ist ihm nun wichtiger geworden
als der Dienst für das Land und seine Regierung. Es ist eine
Entscheidung, die Anerkennung verdient und auch erhält.
Mit seinem Abgang zieht Franz Müntefering allerdings auch die
logische Konsequenz aus dem rapiden Machtverfall der vergangenen
Wochen. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, dessen Führungsqualitäten
lange angezweifelt wurden, zwang den Vize-Kanzler in einen Machtkampf
um die Verlängerung des Arbeitslosengelds I und nahm ihm damit
endgültig die Führungsrolle in der SPD. Einem Mann wie Müntefering
war von da an klar, dass seine Zeit abläuft. Beim Koalitionsgipfel
hat er nun seine zweite schwere Niederlage in kurzer Zeit kassiert:
Der Mindestlohn, den er zu seiner Sache machte, kommt nicht. Auch im
Kabinett war der Vizekanzler, der Politik vor allem als Machtfrage
definiert, damit machtlos geworden.
In der Koalition verändert sich die Tektonik. Bundeskanzlerin Angela
Merkel, die bislang in ihrem Vizekanzler einen berechenbaren Partner
am Kabinettstisch hatte, wird von nun auch mit einem dauernden
Koalitionsausschuss regieren müssen, in dem sich der neue starke Mann
der SPD, Kurt Beck, breit macht. Dass Beck nicht selbst ins Kabinett
Merkel eintritt, dokumentiert dabei den weiter wachsenden
Führungsanspruch des Rheinland-Pfälzers: Er will mit der Kanzlerin
auf Augenhöhe, von Regierungschef zu Regierungschef verhandeln
können, ohne dabei in die Disziplin ihres Kabinetts eingebunden zu
sein. Ein Blick auf die Art und Weise, in der Kurt Beck die Nachfolge
Münteferings regelte, unterstreicht diesen Befund: Olaf Scholz ist
ein respektierter und respektabler Politiker. Aber mehr auch nicht.
Jedenfalls garantiert er dem SPD-Chef, dass dessen Macht nicht
angezweifelt wird. Das gilt auch für Außenminister Steinmeier, der
den Titel des Vize-Kanzlers künftig wieder eher als Ehrentitel und
nicht als Nebenkanzler wird interpretieren müssen.
Für Angela Merkel wird das Regieren damit nicht leichter. Schon der
Koalitionsgipfel in der Nacht zum Dienstag gab einen Vorgeschmack auf
die wachsenden Konflikte zwischen Union und SPD. Ob Mindestlohn oder
Bahn-Privatisierung, Pflegereform oder Kinderbetreuung der
SPD-Vorsitzende wird angesichts nach wie vor dramatischer Umfragen
versuchen, Profil um jeden Preis zu gewinnen. Für sich. Und mit Blick
auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und
Hamburg auch für die SPD. Der Linkskurs der Partei, der sich auf dem
Parteitag in Hamburg andeutete, ist gestern manifestiert worden. Er
wird angeführt von Kurt Beck. Und er dokumentiert dessen Willen zur
Kanzlerkandidatur.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
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Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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