LVZ: zu EU-Agrarpolitik Fehldiagnose
Geschrieben am 21-11-2007 |
Leipzig (ots) - Von Birgit Schöppenthau Operation gelungen, Patient tot. Diese vernichtende Diagnose wird die ostdeutsche Landwirtschaft akzeptieren müssen, sollte sich Mariann Fischer Boel mit ihrer Idee durchsetzen. Die EU-Agrarkommissarin sieht in der Kürzung der Beihilfen den einzigen Weg, die Branche vom Brüsseler Geld-Tropf abzunabeln. Dass diese Therapie ein Teil der Patienten nicht überleben wird, scheint die eigentlich versierte Fachfrau kaum zu beunruhigen. Dabei zeigte die Ministerin bei einer Visite in Sachsen vor zwei Jahren durchaus Verständnis für die Belange der hiesigen Bauern, die nach der Wende nicht nur neue Strukturen schufen, sondern auch Altlasten beglichen. Sie bewunderte beneidenswert große Betriebe mit leistungsfähigen Anlagen. Jedenfalls von denen, die überlebt haben, kann man das behaupten. Boel zeigte aber ebenso Verständnis für die weiterhin angespannte Situation der Bauern. Denn die Investitionen in wettbewerbsfähige Agrarbetriebe seit der Wende sind in der Regel von Banken finanziert. Der schwierige Markt für Agrarprodukte in den letzten Jahren sorgte außerdem dafür, dass kaum Rücklagen gebildet wurden. So steht der Patient im Osten Deutschlands immer noch auf wackligen Füßen. Das weiß Fischer Boel auch im fernen Brüssel. Dennoch fällt ihr Gesundheitscheck derart positiv aus, dass ein therapeutischer Entzug angebracht scheint. Oder will die Politikerin damit eine vermeintliche Fehldiagnose vergessen machen? Einen faden Beigeschmack hat nämlich die Kürzung der Beihilfen, die nur jene treffen soll, die viel Fläche bewirtschaften. Dazu gehörte einst auch Ehemann Hans Fischer Boel, der aufgrund der Betriebsgröße tausende Euro an Subventionen aus Brüssel kassierte und deshalb in Dänemark in die Kritik geriet. Er konnte das Problem lösen, indem er einen Teil des landwirtschaftlichen Betriebes an die Tochter übergab. Aber das kann nicht der Weg sein. Die Landwirtschaft braucht leistungsfähige Strukturen, um auf den internationalen Agrarmärkten wettbewerbsfähig zu sein. Die EU befürwortet einerseits die Abschaffung der Milchquote, um den Betrieben die Chance zu geben, sich breiter aufzustellen. Bei der Flächenprämie, die erst 2003 gegen den Willen der deutschen Bauern eingeführt worden ist, soll andererseits die Schere angesetzt werden. Wenn die europäische Agrarbranche in naher Zukunft ohne Beihilfen auskommen soll, dann gilt auf dem Weg dahin gleiche Unterstützung für alle. Der Aufschrei unter den Bauern und in den Verbänden zeigt, dass Fischer Boel an einem Rezept für die Landwirtschaft weiter arbeiten muss. Aber am Ziel der Behandlung führt nichts vorbei. Die Produzenten von Getreide, Fleisch und Milch müssen über kurz oder lang von den Erträgen ihrer Arbeit leben. Der Preisanstieg auf den internationalen Agrarmärkten zeigt, dass dies nicht unrealistisch ist. Künftig soll sich die EU stärker auf andere Wirtschaftszweige außerhalb der Ballungsräume fokussieren. Denn mit dem ländlichen Raum steht ein weiterer Patient vor dem Exitus.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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