Allg. Zeitung Mainz: Problem nicht gelöst (zu Kopftuch)

Mainz (ots) - Religion ist Privatsache. Deshalb hat jeder Beamte
in Hessen sich kraft Gesetz so zu kleiden, dass sein Äußeres keinen
Anlass zu Zweifeln an der Neutralität seiner Amtsführung gibt. Was da
gestern vom Staatsgerichtshof als verfassungsgemäß abgesegnet wurde,
klingt zunächst nicht so, ist aber in der Praxis die
höchstrichterliche Bestätigung eines Kopftuchverbots für muslimische
Frauen im Staatsdienst. Das gilt zwar schon seit 2004, als die
alleinregierende CDU das Gesetz beschloss, aber erst jetzt hat es
seinen vorläufig höchsten Segen bekommen. Ob es auf Dauer Bestand
haben wird, bleibt indes abzuwarten. Denn das Votum ist knapp
ausgefallen. Selbst in den Reihen der elf Staatsrichter sind fünf
sich nicht sicher, ob ihr Spruch bei einer Klage vor Gericht
ausreichend belastbar sein wird. Denn das Gesetz verstoße gegen die
garantierte Glaubensfreiheit, gegen das Recht auf freie Berufsauswahl
und sei auch ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung von Mann und
Frau. Das sind nützliche Hinweise frei Haus für all die, die sich der
Sicht der Union in Hessen nicht beugen wollen. Und derer wird es
künftig viele geben. Denn der Anteil der Muslime in Deutschland
wächst und unter ihnen steigt die Zahl derer, die auch hier
traditionell leben wollen. Dazu gehört bei Muslimen das Kopftuch für
Frauen. Für viele Nichtmuslime ist es aber nicht Ausdruck religiöser
Überzeugung, sondern eher Zeichen eines offensiven ja aggressiven
Islam. Das erzeugt Unbehagen, oft auch Furcht und führt zu Abneigung,
Ablehnung und Aggression. Da entwickelt sich Ungutes für diese
Republik, die sich bei aller Liberalität in einer
christlich-humanistischen Tradition verankert sieht. Diese
Gesellschaft muss sich mit dem Thema also anders beschäftigen als per
Erlass und Gesetz. Wir brauchen eine unserer Demokratie würdige, will
heißen, vorurteilsfreie Diskussion über den Umgang mit dem Islam,
damit aus dem Nebeneinander hierzulande ein Miteinander wird. Hinter
dem Kopftuch steckt soviel Konfliktpotential, dass ein auf rechtlich
wackligen Beinen stehendes Gesetz für Staatsdiener allein kaum
reichen wird, das Problem zu lösen.

Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz
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