WAZ: EU-Gipfel in Brüssel - Ein nützliches Lehrstück - Leitartikel von Knut Pries
Geschrieben am 14-12-2007 |
Essen (ots) - Die EU ächzt unter der Verantwortung für das Kosovo. Auf dem Brüsseler Gipfel war in dieser Frage erneut unübersehbar, woran die gemeinsame Außenpolitik krankt: daran, dass sie noch längst nicht so gemeinsam ist, wie es nötig wäre. Die Beschlüsse sind Ausdruck eines Kräfteverhältnisses: Die Großen halten den Weg zur Unabhängigkeit der serbischen Provinz für unvermeidlich, die Kraft der Kleinen reicht nicht zum Fundamentalwiderstand.
Da sollte man auch vom künftigen EU-Vertrag keine Wunder erwarten. Er stellt den Regierungen ein besseres Instrumentarium zur Verfügung, im Verbund zu agieren. Die Einsicht, dass damit auch den nationalen Interessen am besten gedient ist, werden aber auch die pfiffigsten Brüsseler Institutionen nur begrenzt fördern können. Sie muss in den Hauptstädten wachsen.
Die Gegner einer (einseitig erklärten) Unabhängigkeit des Kosovo haben gute Argumente. Die werden nicht dadurch entwertet, dass sie mit weniger guten verwoben sind. Stimmt schon - den Russen und dem serbischen Ministerpräsidenten Kostunica geht es auch, wenn nicht zuvörderst, um Einfluss (Moskau) und Machterhalt (Belgrad). Aber unabhängig davon bleibt es eine schwere Belastung, dass der Weg der Kosovaren in die Unabhängigkeit mit Verstößen gegen zwei wichtige Prinzipien bezahlt werden muss: Der Grundsatz der territorialen Integrität, der Unverletzbarkeit der Staatsgebiete, wird verletzt. Und zum ersten Mal werden die Binnen-Grenzen des vormaligen Jugoslawien revidiert.
Es ist nicht zu leugnen, dass dies anderen einen argumentativen Vorwand liefert, ihrerseits das Recht zu reklamieren, aus dem bisherigen Staatsverband auszuscheren: den Serben im Norden des Kosovo ("Unabhängigkeit von der Unabhängigkeit"), der serbischen Teilrepublik im fragilen Gefüge Bosnien-Herzegowina, aber auch Separatisten jenseits des alten Tito-Reiches.
Es gibt aber einen fundamentalen Unterschied, den diejenigen gern übersehen, die vor dem verhängnisvollen "Präzedenzfall Kosovo" warnen: Dort hat die albanisch-stämmige Bevölkerungsmehrheit erst Kurs auf die völlige Loslösung von Serbien genommen, nachdem sie Opfer einer brutalen Unterdrückung geworden war. Den Präzedenzfall Kosovo schaffen nicht die USA und die EU, wenn sie jetzt - zum größeren Teil mit knirschenden Zähnen - die Sezession der Kosovaren mittragen. Den haben Milosevic und seine Mitstreiter zu verantworten. In diesem Sinne ist die Ablösungskrise Kosovo ein nützliches Lehrstück.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
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