LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Fall Marco
Geschrieben am 14-12-2007 |
Leipzig (ots) - Von Peter KorfmacherSchatten bleibenMarco ist frei! Kaum noch hatte man es zu hoffen gewagt. Aber nun wird der 17-Jährige Weihnachten daheim verbringen können, im Kreis seiner Familie. Und doch ist der Albtraum, zu dem sich ein Flirt in den Osterferien ausgewachsen hat, nicht zu Ende. Denn der Prozess geht weiter. Und bis dieses unwürdige Tauziehen um zwei Minderjährige aus den EU-Ländern Deutschland und Großbritannien auf dem Staatsgebiet des EU-Aspiranten Türkei wirklich vorüber ist, gilt zwar selbstredend die Unschuldsvermutung, bleibt aber auch der Vergewaltigungs-Verdacht. Bleibt das Damoklesschwert einer langen Haftstrafe. Wenngleich die Freilassung des Jungen ohne Kaution und mit der Erlaubnis, das Land zu verlassen, die Hoffnung nährt, dass noch alles gut wird. Doch was heißt schon gut? Was all dies für die Psyche eines Jugendlichen bedeutet, kann niemand ernsthaft ermessen. Schon die mehr als acht Monate in türkischer Haft, unter für uns unwürdigen Bedingungen, umgeben von Menschen, die eine andere Sprache sprechen, werden Schatten auf Marcos Persönlichkeit hinterlassen.Und auch die 13-jährige Charlotte, die er vergewaltigt oder sexuell belästigt haben soll, die von ihrer Mutter offenkundig benutzt wurde, um von der eigenen Verletzung der Aufsichtspflicht abzulenken, die durch die britischenMedien gezerrt wurde, kann kaum unbeschadet aus dieser Geschichte wieder herauskommen. Dies alles nun in heiligem Zorn der türkischen Justiz vorzuwerfen, mag einstweilen die Lufthoheit über den Stammtischen garantieren, zielt aber zu kurz. Denn so schwer Marcos Martyrium auch mit unserem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit vereinbar ist - türkische Gerichte messen mit türkischen Maßen. Und dass in Deutschland Politiker vorschnell auf Druck gesetzt und die Türkei als herzlosen Willkürstaat abgekanzelt haben, war sicher kontraproduktiv. In der Folge hat das Gericht in Antalya die bürokratische Karte gespielt, auf Pedanterie, auf Zeit. Es hat gekontert und mit Nachdruck bewiesen, dass es frei ist, keine Rücksicht nimmt auf die Erfordernisse der Politik. Denn der türkischen Staatsführung müssen die Vorgänge hochgradig unangenehm gewesen sein. Aber hat eigentlich das EU-Land Großbritannien alles getan, um Klarheit in dieses diplomatische Vexierspiel zu bringen - und damit für zwei Jugendliche und ihre Familien eine Tragödie abzuwenden? Wie dem auch immer sei: Den Fall Marco sollte sehr genau studieren, wer nach einer Verschärfung des deutschen Sexualstrafrechts ruft. Wenngleich der Schutz Jugendlicher vor sexuellem Missbrauch ein richtiges, wichtiges Ansinnen ist. Es gibt aber Dinge zwischen Himmel und Erde, zwischen Menschen, die lassen sich durch Gesetze nicht regeln. Weil sie mit Moral und Erziehung zusammenhängen. Weil sie des Ertastens und Erspürens, Erlebens, auch der Dehnung von Grenzen bedürfen - weil sie, auch das hat der Fall Marco gezeigt, sich einer objektiven Überprüfbarkeit entziehen - und damit dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen. Demokratische Gesellschaften bedürfen der Offenheit und des Vertrauens. Auch um den Preis eines Restrisikos. Das alles sollte man im Hinterkopf behalten. Aber wichtiger ist: Marco ist frei! @p.korfmacher@lvz.de
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Pressekontakt: Leipziger Volkszeitung Redaktion Telefon: 0341/218 11558
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
110563
weitere Artikel:
- Lausitzer Rundschau: Wachsender Bedarf bei Tafeln der Region Gesellschaft ohne Würde Cottbus (ots) - Es ist ein seltsames Phänomen, das da vor 15 Jahren aus Amerika nach Deutschland und in die Region gespült wurde. Tafeln, in denen sich arme Menschen die Lebensmittel abholen können, die sonst auf dem Müll landen würden. In einem der immer noch reichsten Länder der Erde stehen täglich viele Tausend Rentner und Hartz-IV-Empfänger an, um sich mit Obst, Gemüse, Grundnahrungsmitteln oder Fertiggerichten einzudecken. "Warum tun sie sich das bloß an", mag mancher sich fragen - Hartz IV müsste doch reichen zum Leben. Wer mag, mehr...
- Lausitzer Rundschau: Die USA und die Weltklimakonferenz Vergesst Bush! Cottbus (ots) - Es haben sich hier viele bewegt. Es ist ein starkes Signal. So frohlockte G8-Präsidentin Angela Merkel in Heiligendamm, nachdem sie sich mit George W. Bush auf ein Dokument zum Klimaschutz geeinigt hatte. Die Bundeskanzlerin darf sich getäuscht fühlen. Es ist angesichts des zutiefst frustrierenden Verlaufs der UN-Klimakonferenz von Bali an der Zeit, den Stab zu brechen. Nicht über die USA. In diesem Land steckt mehr Weitsicht, als viele denken. Aber über ihren derzeitigen Präsidenten. Noch zwölf Monate, dann ist dieser mehr...
- Rheinische Post: SPD will auch nach der nächsten Europawahl den Kommissar stellen Düsseldorf (ots) - Die SPD erhebt auch für die Zeit nach der nächsten Europa-Wahl 2009 Anspruch auf den deutschen Sitz in der EU-Kommission. Das kündigte SPD-Fraktionschef Peter Struck gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post (Samstagausgabe) an. "Die Frage, wer ein Vorschlagsrecht für den Kommissar hat, wird in der Koalition diskutiert. Aber selbstverständlich würden wir gerne wieder einen SPD-Kommissar haben", sagte Struck der Zeitung. Originaltext: Rheinische Post Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621 mehr...
- Rheinische Post: SPD-Fraktionschef strebt 2009 Dreier-Koalition an Düsseldorf (ots) - Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Peter Struck, plädiert für eine Ampel-Koalition nach der nächsten Bundestagswahl. "Ideal wäre Rot-Grün. Aber ich glaube, wir müssen uns aber auch mit der Möglichkeit einer Dreier-Koalition in der Bundespolitik anfreunden", sagte Struck der in Düsseldorf erscheinen Rheinischen Post (Samstagausgabe). Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck habe in Rheinland-Pfalz erlebt, das die FDP ein verlässlicher Partner sein könne. "Die Verbindungen sind nicht abgebrochen. Die FDP wäre sicher bereit, mehr...
- Rheinische Post: Struck: SPD wird die CDU-Vorsitzende in der Innenpolitik stellen Düsseldorf (ots) - Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Peter Struck, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen harten Kampf um Wählerstimmen in den kommenden zwei Jahren angekündigt. "Wenn es ans Eingemachte geht, etwa in der Innenpolitik, werden wir die CDU-Vorsitzende stellen", sagte Struck der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post (Samstagausgabe). Merkels Versuch, "uns Wähler abspenstig zu machen", werde nicht funktionieren. "Nehmen wir das aktuelle Beispiel Klima. Ich prophezeie, dass sich Frau Merkel bei der Umsetzung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|