Rheinische Post: Renaissance des Glaubens Kommentar: VON HORST THOREN
Geschrieben am 23-12-2007 |
Düsseldorf (ots) - Wie solidarisch ist unsere Gesellschaft wirklich? Einzel- oder Verbandsinteressen in der jeweiligen Intention durchaus nachvollziehbar bestimmen in wachsendem Maße das Denken und Handeln. Ihre Durchsetzung wird mit zunehmender Uneinsichtigkeit in das gesellschaftlich Gebotene betrieben, koste es, was es wolle und seien es die eigenen Arbeitsplätze. Wie jetzt bei den Lokführern bleibt häufig die Verhältnismäßigkeit der Mittel auf der Strecke. Aber, wenn in Spitzenpositionen der Wirtschaft Selbstbereicherung in augenfälligem Missverhältnis zur messbaren Gegenleistung steht, so dass sich gar die Kanzlerin aufgerufen fühlt, die Raffgier der Managerkaste anzuprangern, sollen sich Gewerkschaften und Interessenverbände Bescheidenheit predigen lassen? Oder, wenn die Bundestagsabgeordneten jetzt fast zehn Prozent mehr bekommen, sollen die Rentner bereitwillig knapsen, weil die Kassen nicht mehr hergeben? Wie gerecht ist unsere Gesellschaft also? Im allgemeinen Ellenbogengeschiebe scheint das Gemeinwohl ins Abseits zu geraten. In der Beobachtung des Einzelnen kollidieren die eigenen Bedürfnisse und Ängste mit der Wahrnehmung neoliberaler Auswüchse. Die gefühlte Ungerechtigkeit erschüttert, so sagen die Meinungsforscher, den Glauben an die "soziale" Marktwirtschaft. Der Glaube an Gott aber scheint ungebrochen. Der Statistik zufolge sind gut 70 Prozent der Deutschen religiös. Jeder Fünfte ist sogar "hoch religiös". Die Kirchen aber profitieren von dieser Haltung kaum, der Gottesdienstbesuch ist weiter rückläufig. Nur einmal im Jahr können die Pfarrer zuverlässig mit vollen Kirchenbänken rechnen am Heiligen Abend. Und deshalb ist heute der Tag, Solidarität zu predigen. Das Weihnachtsevangelium erzählt vom Licht im Dunkel. Es berichtet von Gott, der die Solidarität mit uns Menschen und damit auch der Menschen untereinander zum Prinzip erhebt. Es erzählt von der Gemeinschaft der Hirten, die alles stehen und liegen lassen, um sich solidarisch zu zeigen mit dem Kind, das da schutzlos in der Krippe liegt und auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Wer sich nach dem Vorbild der Hirten auf den christlichen Weg begeben will, hat es nicht weit. Aber, er muss aufstehen und ein paar Schritte tun: In Richtung des nachbarschaftlichen Kirchturms. Vielleicht findet er in der Gemeinschaft auch den Glauben an die Menschheit wieder.
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