Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 31. Dezember 2007 die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Merkel:
Geschrieben am 30-12-2007 |
Bremen (ots) - Die See wird rauer Von Joerg Helge Wagner Was verbindet die Bundeskanzlerin 2008 mit ihrem Vorgänger 1998? Dass sie beide das gleiche Hauptproblem haben, an dessen Lösung sie sich messen lassen müssen. Die Arbeitslosigkeit beherrscht heute wie vor zehn Jahren die Innenpolitik. Folgt man Merkels Neujahrsansprache, dann scheint die Kanzlerin begriffen zu haben, dass sie genau hier weiter punkten muss - Klimaschutz, Europa, Terrorabwehr rangieren beim Wahlvolk weiter hinten. Das war schon unter Schröder so, doch der wollte Jobs mit Reformen schaffen, die nicht einmal seine eigene Partei aushielt, von den ihr damals noch nahe stehenden Gewerkschaften ganz zu schweigen. Da hat Bundespräsident Köhler wohl Recht: Wir haben ein Problem mit dem Aushaltenkönnen, bis Reformen wirken. Unter Schröder konnten die allmählichen Erfolge auf dem Arbeitsmarkt nicht mit dem raschen Verdruss über die Zumutungen Schritt halten. Merkel hingegen segelte bislang vor dem Wind: Die anspringende Weltkonjunktur gestattete es ihr, die marktliberalen Pläne über Bord zu werfen und so die Sozialdemokraten in der Crew vom Meutern abzuhalten. 2008 wird der Wind auf dem Ozean Arbeitsmarkt rauer, und er zerrt von mehreren Seiten an der "Deutschland" unter Skipperin Merkel. Die Klippe Mindestlohn ist nicht damit umschifft, dass Merkel sie beharrlich "Lohnuntergrenze" nennt und eigentlich gar nicht darüber reden will. Denn alle anderen tun es: SPD, DGB, Arbeitgeber - und je nach Umfrage wollen bis zu drei von vier Deutschen den Mindestlohn, ungeachtet ihrer politischen Grundhaltung. Jetzt ist Merkels Richtlinienkompetenz gefragt, wenn sie ihren Kurs "Freiheit und Gerechtigkeit" halten will. Noch kann sie das Sommerangebot der SPD von 6,50 Euro erneut verhandeln - und im Gegenzug auf ein Senken von Lohnnebenkosten und Steuern drängen, um die Wirtschaft im Boot zu behalten. Die Zeiten der Schönwetter-Törns in fremden Gewässern sind jedoch im kommenden Jahr vorbei.
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