Westdeutsche Zeitung: Unions-Forderungen nach Steuersenkungen = von Martin Vogler
Geschrieben am 06-01-2008 |
Düsseldorf (ots) - Die reflexartige erste Reaktion fällt ungnädig aus. Wenn CDU und Wirtschaftsminister Michael Glos niedrigere Steuern fordern, ist man rasch versucht, das als populistisches Wahlkampfgeschwätz abzutun. Da erholen sich soeben die schuldengeplagten Staatsfinanzen ein wenig. Wäre es da nicht Gift, wenn wegen Steuersenkungen der üppiger gewordene Geldfluss in die öffentlichen Kassen gebremst würde? Dieses Argument, dessen sich vor allem die SPD bedient, hat seine Berechtigung. Und tatsächlich ist der Unions-Vorstoß auch nicht ohne wahltaktischen Hintersinn. In drei Wochen werden zwei wichtige Landtage neu zusammengesetzt, und die Bundestagswahl ist auch nicht mehr so fern. Trotzdem: Es gibt gute Gründe dafür. Der Wichtigste heißt Inflationsfolgen, auch "kalte Progression" genannt. Denn fast alle Arbeitnehmer müssen jedes Jahr eine schleichende und automatische Steuererhöhung hinnehmen. Jedes mal wenn Lohn oder Gehalt zulegen, unterliegt auch bei Normalverdienern der Steigerungsbetrag einem relativ hohen Steuersatz. Das heißt: Von 100 Euro mehr gehen bei ihnen allein 35 Euro für Steuern weg. Sozialabgaben kommen meist noch dazu. Vor allem wenn die Brutto-Einkommenssteigerung von der Höhe her in etwa der Inflationsrate entspricht, haben also die Betroffenen in Wirklichkeit netto weniger Kaufkraft zur Verfügung also vorher. Ist das gerecht? Nein. Insofern wäre es nur fair, wenn sich die Regierung zu einer sanften Steuersenkung entschlösse. Sie würde damit für die Bürger lediglich wieder den Belastungszustand von vor fünf oder zehn Jahren herstellen. Mehr muss nicht sein. Das kann - und das Finanzministerium hat solche Pläne gemacht - über einen höheren Grundfreibetrag und eine flachere Progressionskurve passieren. Nutznießer wären weniger die Spitzenverdiener sondern vor allem die Empfänger kleiner und mittlerer Einkommen. Insofern sollte es der SPD möglich sein, sich einen Ruck zu geben. Ideologisch würde eine solche Steuersenkung auch zu ihr passen. Und ob die Einnahmen des Staates wirklich langfristig sänken, wäre abzuwarten. Denn mehr Kaufkraft bei vielen Menschen täte wiederum Konjunktur und damit Steueraufkommen gut.
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