Südwest Presse: Kommentar zum Thema Parteien: Stunde der Taktiker
Geschrieben am 08-01-2008 |
Ulm (ots) - Die traditionellen Lockerungsübungen der Parteien im Januar dienen zwei Zielen. Die politische Klasse will sich nach den Feiertagen beim Publikum zurückmelden und sich selbst vergewissern, dass sie hochmotiviert und bestens präpariert ins neue Jahr geht. Dieses Ritual ist inzwischen so unvermeidlich wie von begrenzter Aussagekraft. Daher sollten wir weder die goldenen Worte der Parteivorsitzenden noch die scheinbar von Entschlusskraft zeugenden Bilder aus Wiesbaden und Stuttgart, Hannover und Kreuth zum Nennwert nehmen. Vielmehr droht 2008 für die Bundesrepublik ein verlorenes Jahr zu werden. Bis Ende Februar wird sich innenpolitisch wenig bewegen. Die Berliner Koalitionspartner CDU, CSU und SPD haben klargemacht, dass sie sich im Schatten der drei Landtagswahlen von Hessen, Niedersachsen und Hamburg als Gegner betrachten, die sich nichts schenken werden. CDU-Chefin Angela Merkel keilt an der Seite von Roland Koch gegen das vermeintliche Sicherheitsrisiko SPD, Kurt Beck prügelt auf die angeblich rechtspopulistische Union ein. In einem so aufgeheizten Klima bleiben Vernunft, Augenmaß und Konsens auf der Strecke. Auch nach den Frühjahrswahlen ist nicht mit einer Entspannung im Koalitionslager zu rechnen, denn mindestens in Hessen und Hamburg könnte die Regierungsbildung schwer werden - mit Auswirkungen auf den Bund. Spätestens in der Sommerpause aber wird sich die CSU in Berlin aus der gemeinsamen Verantwortung verabschieden, um die Bayern-Wahl Ende September vorzubereiten. Kurz danach dämmert bereits das Superwahljahr 2009 herauf, in dem nicht nur der Bundestag, sondern auch das Europäische Parlament, die Landtage von Brandenburg, Thüringen, Saarland und Sachsen neu gewählt werden - und nicht zu vergessen: der Bundespräsident. Wenn nicht alles täuscht, hat jetzt erst einmal die Stunde der Taktiker geschlagen. Die Reformkanzlerin, die sich auf dem CDU-Parteitag in Hannover eben noch für ihren Modernisierungskurs feiern ließ, ist von Roland Koch kurzerhand aus der politischen Mitte weggelotst worden. SPD-Chef Kurt Beck empfiehlt sich, um endlich dem demoskopischen Jammertal zu entkommen, als linkes Gewissen der Nation. Die große Koalition insgesamt verspricht, in schlechtester Wahlkampf-Manier, ein Rundumsorglospaket mit mehr Kindergeld, höheren Löhnen und niedrigeren Steuern. Wer soll das glauben, wer bezahlen? In einer schwachen Sekunde hat Angela Merkel vor wenigen Wochen davor gewarnt, dass "uns der ganze Laden auseinander- fliegt". Gemeint war nicht etwa die große Koalition, sondern die Gesellschaft, in der die Kanzlerin gefährliche Tendenzen erkannt hat: wachsende Ungleichheit, Kinderarmut, Jugendgewalt, ungerechte Bildungschancen. Wie aber reagiert die verantwortliche Politik darauf? Aus den Klausursitzungen der Parteien jedenfalls sind keine nachhaltigen Denkanstöße zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands gedrungen. Kuriert wird bloß an Symptomen. Doch die Strukturprobleme, die sich dahinter verbergen, sind weder mit gesetzlichen Mindestlöhnen noch mit einem flächendeckenden Warnschussarrest zu lösen. Strategische Ansätze und ganzheitliche Konzepte sind dagegen nicht in Sicht. Stattdessen blicken die Kanzlerin und ihre Koalition gebannt auf die nächsten Wahltermine. Und wann wird in Berlin endlich wieder regiert?
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