"Sarkozy ist ein Fischverkäufer" Chabrol-Muse Ludivine Sagnier im Tele 5-Interview
Geschrieben am 09-01-2008 |
München (ots) -
- Querverweis: Bildmaterial wird über obs versandt und ist abrufbar unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs -
Ludivine Sagnier (28), Hauptdarstellerin von 'Die zweigeteilte Frau' (Kinostart 10. Januar) über Schamgefühl, Schlemmen mit Chabrol, schöne Männer in ihrem Bett und den Niedergang Frankreichs.
Vierteilige Claude Chabrol-Reihe auf Tele 5 Ab Sonntag, 13. Januar, 00.15 Uhr: 'Der Schlachter'
Tele 5: Ist 'Die zweigeteilte Frau' eine Hymne auf die Jugend?
Ludivine Sagnier: Dafür ist der Film zu zynisch, es geht ja um eine Jugend, die geopfert wird. Man sieht ein Mädchen, das voller unschuldiger, reiner Absichten ist. Sie glaubt an die Liebe und daran, dass sie ein erfülltes Gefühlsleben vor sich hat. Und sie wird komplett geopfert von einer Gesellschaft, die nichts kennt als Äußerlichkeiten und Lügen.
Tele 5: Aber am Schluss lächelt sie.
Ludivine Sagnier: Ja, weil sie da wieder auflebt.
Tele 5: Sind die modernen jungen Mädchen nicht etwas weniger naiv?
Ludivine Sagnier: Wenn man lieben will, dann hat das nichts mit einer bestimmten Epoche zu tun. Es wird immer Menschen geben, die sich für die Liebe völlig aufgeben. Aber da der Film eine moderne Geschichte erzählt, kann Gabrielle, obwohl sie geopfert und gedemütigt wird, am Schluss wieder aufstehen. Frauen haben heute mehr Kraft und Freiheit. Man wird von Skandalen weniger beschmutzt als früher oder zumindest nicht ganz vernichtet. 'Die zweigeteilte Frau' entstand nach einer wahren Geschichte aus New York ,Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese Geschichte hatte ein tragisches Ende.
Tele 5: Wie war das eigentlich, als Claude Chabrol bei Ihnen angerufen hat?
Ludivine Sagnier: Ich habe es nicht geglaubt, einfach nicht geglaubt. Für mich war Claude Chabrol der Größte. Als französische Schauspielerin bin ich natürlich von der Nouvelle Vague beeinflusst, meine Referenzen sind Truffaut, Godard und eben Chabrol. Wenn man mit ihm arbeitet, dann ist man plötzlich Teil der Legende.
Tele 5: Wie war es, mit ihm zu arbeiten?
Ludivine Sagnier: Super, er ist ein Schatz. Claude arbeitet seit 25 Jahren mit dem gleichen Team zusammen. Da herrscht eine ganz tolle Atmosphäre. Es ist wie von einer Familie adoptiert zu werden, ich habe mich zuhause gefühlt. Ich hätte noch ein halbes Jahr länger drehen können, ohne mich auch nur eine Sekunde zu langweilen!
Tele 5: Und sein vielgefürchteter Zynismus?
Ludivine Sagnier: Claude ist sehr zynisch, das ist wahr, aber er ist dabei so klug und witzig, dass mich diese Eigenschaft überhaupt nicht stört.
Tele 5: Man sagt, er war begeistert von Ihnen als Glöckchen in 'Peter Pan' und hat Sie deshalb engagiert.
Ludivine Sagnier: Ja, die Vorstellung, dass ich eine kleine Fee bin, gefällt ihm.
Tele 5: Werden Sie bald wieder mit ihm drehen?
Ludivine Sagnier: Er macht jetzt einen Film mit Gérard Depardieu und er hat mir gesagt, dass ich im übernächsten Film möglicherweise wieder dabei bin.
Tele 5: Sie haben über Chabrol gesagt: "Er suggeriert Sex, aber man wird gleichzeitig beschützt von seiner Keuschheit." Wie meinen Sie das?
Ludivine Sagnier: Claude ist jemand, der Lust hat, gefährliche Dinge auszudrücken, pikante und sehr intime Dinge. Aber er ist auch Teil einer Generation, die noch etwas altmodisch ist. Er kann es sich nicht erlauben, so darüber zu sprechen wie jemand in unserem Alter. Also gibt es bei ihm eine Art Verschiebung. Er behandelt ketzerische Themen, aber seine Art, wie er diese Dinge zeigt, ist sehr diskret. Für ihn ist 'Die zweigeteilte Frau' fast ein pornografischer Film, hat er mir gesagt.
Tele 5: Obwohl man eigentlich nichts sieht.
Ludivine Sagnier: Genau. Da ist dieser ältere Schriftsteller, der das junge Mädchen in den Club mitnimmt und sie hat Gruppensex mit ihm und seinen Freunden. Das ist schon ziemlich bizarr und auch sehr unmoralisch. Aber man sieht nicht viel. Das finde ich sehr angenehm. Aus einer gewissen Distanz lassen sich die Dinge viel besser verstehen.
Tele 5: Der Zuschauer macht sich seine eigenen Vorstellungen.
Ludivine Sagnier: Chabrol könnte sagen: Ich soll pervers sein? Das, was ihr pervers findet, das ist eure Art, die Dinge zu sehen, das ist die Perversion in euren Köpfen.
Tele 5: Sammeln Sie wertvolle Meisterstücke wie Chabrol?
Ludivine Sagnier: Ja, ich mag diese alten Haudegen (lacht). Und Claude hat die berühmtesten Leute gekannt. Er war mit Hitchcock befreundet, mit Truffaut und Bergman. Wenn ich mit ihm arbeite, bringt mir das diese illustren Menschen irgendwie nahe und ich liebe das.
Tele 5: Sie haben schon viele Filme gemacht. Was war die neue Herausforderung in 'Die zweigeteilte Frau'?
Ludivine Sagnier: Auf allen Vieren zu krabbeln, mit einer großen Feder im Hintern. Das war schwer und gehörte für mich nicht zu den schönsten Momenten.
Tele 5: Die Szene hat aber trotzdem Würde.
Ludivine Sagnier: Ja klar, denn zum Glück ist da Claudes Schamgefühl. Als ich das im Drehbuch gelesen habe, hab ich zuerst gesagt: nein!
Tele 5: In dem Film taucht die Frage auf, ob unsere Gesellschaft in die Dekadenz oder in den Puritanismus driftet. Für beides gäbe es Anzeichen.
Ludivine Sagnier: In Frankreich haben Journalisten vermutet, dass das Bild der "zweigeteilten Frau" auch für das politisch zerrissene Frankreich stehen könnte. Ich weiß nicht, ob Claude das beabsichtigt hat, aber es ist ein Bild, das funktioniert. Sarkozy ist wie ein Marktschreier, der die Menschenrechte wie Fisch verkauft. (Schreit und gestikuliert) "Wer möchte meine Menschenrechte? Wer will meine Demokratie? Ganz billig, ganz billig! Ich geb' dir 50 Prozent Rabatt." Sarkozy ist gerade dabei, alle Werte Frankreichs zu verschleudern.
Tele 5: Aber die Franzosen haben ihn doch gewählt.
Ludivine Sagnier: Die Hälfte. Frankreich ist zweigeteilt, wie die zweigeteilte Frau. Die sozialen Missstände werden immer schlimmer, was zum Beispiel zu Gewalt in den Banlieues führt. Alles ziemlich abstoßend. Ich bin zurzeit nicht sehr stolz auf mein Land.
Tele 5: Ein angenehmeres Thema: Welcher von Ihren beiden Filmpartnern hätte Ihnen denn besser gefallen?
Ludivine Sagnier: Ich finde Francois Berléand genial. Und in Benoit Magimel war ich verliebt, als ich ein kleines Mädchen war. Heute habe ich das überwunden. (lacht) Aber ich bin natürlich schon sehr froh, dass mein Beruf mir immer diese vielen schönen Männer ins Bett liefert.
Tele 5: Stimmt es, dass Chabrol ein großer Lebemann ist, der bei den Dreharbeiten wahre Köstlichkeiten auffährt?
Ludivine Sagnier: Oh ja, wir haben gut gegessen. Und manchmal kocht Claude selber. Einmal gab es Tartar. Er kam an mit einer Wanne voller Rinderhackfleisch, tollen Gewürzen, Senf, Kapern, Eiern und allem. Das macht ihm eine große Freude, für das ganze Team etwas zuzubereiten. An einem anderen Tag hat er alle in ein supertolles Restaurant in Lyon eingeladen. Nach dem Dessert singt er dann. Das ist eine Tradition. Er gibt den schlechten Operettensänger (grölt laut und falsch) "Aaaeeeooh! Ohhhhh." Und alle schreien: "Nein!! Aufhören! Das ist grauenvoll!" Und er macht natürlich weiter. Er liebt es, sich von allen auspfeifen zu lassen.
Tele 5: Mit welchen Regisseuren würden Sie in Zukunft gerne arbeiten?
Ludivine Sagnier: Lieber nicht darüber reden! Ich bin abergläubisch. Bis jetzt habe ich sehr viel Glück gehabt und dieses Glück möchte ich hegen und pflegen.
Tele 5: Mit dem Vater Ihrer kleinen Tochter sind Sie nicht mehr zusammen?
Ludivine Sagnier: Wie auch immer!
Tele 5: Wie ist das, arbeiten und alleine ein Kind großziehen?
Ludivine Sagnier: Ich würde auch in der Fabrik arbeiten, wenn's sein müsste. Aber als Schauspielerin geht es ganz gut. Ich habe das Glück, mir ein Kindermädchen leisten zu können. Meine Tochter ist knapp drei Jahre alt, geht noch nicht zur Schule, also begleitet sie mich, wenn ich unterwegs bin. Später wird's komplizierter...Inschallah!
Tele 5: Kennen Sie das Gefühl, in zwei Hälften geschnitten zu werden?
Ludivine Sagnier: Im Sinne eines gebrochenen Herzens ja, das kenne ich. So wie Gabrielle auch. Aber sie erneuert sich. Sie wählt die Kraft der Magie, der Illusion. So kann es auch bei Schauspielern sein. Auch sie können mit Hilfe der Illusion ihre Leiden exorzieren. Die Magie am Schluss, das ist ein sehr schönes Bild. Und deshalb ist 'Die zweigeteilte Frau' vielleicht doch eine Hymne auf die Jugend.
Interview: Michaela Simon
Tele 5 zeigt eine vierteilige Claude Chabrol-Reihe
So., 13.01., 00.15 Uhr: 'Der Schlachter' mit Stéphane Audran Mo., 14.01., 22.00 Uhr: 'Das Leben ist ein Spiel' mit Isabelle Huppert So., 20.01., 00.55 Uhr: 'Hühnchen in Essig' mit Jean Poiret. Mo., 21.01., 00.00 Uhr: 'Inspektor Lavardin oder die Gerechtigkeit'
Textrechte: ©Presse Tele 5, Verwertung honorarfrei nur bei Programmhinweis auf Tele 5.
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Pressekontakt: Tele 5 Pressestelle: Michaela Simon, Jochem Becker Tel. 089-649568-175, -176, Fax. -119, E-Mail: presse@tele5.de Informationen und Bilder zum Programm auch auf www.tele5.de in der Presselounge
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