Allg. Zeitung Mainz: Moralische Mitschuld (Kommentar zu Piëch)
Geschrieben am 09-01-2008 |
Mainz (ots) - Sensationen waren von der Zeugenaussage Ferdinand Piëchs im VW-Prozess nicht zu erwarten, und so ist es auch gekommen. Der frühere Volkswagen-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende bestreitet, irgendetwas von millionenschweren Boni-Zahlungen und sündteuren Lustreisen für seinen Betriebsratschef Volkerts gewusst zu haben. Dass er selbst das Wohlfühlprogramm für den wichtigen Gewerkschafter angestoßen hat, davon ist nicht auszugehen. Denn dafür hatte der Wirtschaftskapitän, zumal er gerade damit beschäftigt war, das Schiff vor dem Untergehen zu retten, kaum Zeit. Im übrigen durfte er davon ausgehen, dass seine Vorstandskollegen genau wussten, wie sie das Problem lösen. Auch mit - vorsichtig ausgedrückt - ungewöhnlichen Mitteln. Piëch interessieren Lösungen, nicht der Weg dorthin. Man kann auch sagen: Wer so weit oben sitzt, macht sich nie die Finger schmutzig. Ob er später, als die Vergnügungstouren schon in vollem Gange waren, davon erfahren hat, ist reine Spekulation. Es gab anonyme Hinweise in diese Richtung, aber das reicht in einem Rechtsstaat nicht - hier braucht es Beweise. Und die gibt es nicht. Piëch hat ein Recht darauf, nur daran gemessen zu werden. Dass er dennoch eine moralische Mitschuld trägt, ist ihm hoffentlich klar. Das System VW, das Einkaufen eines Betriebsrats, ist schließlich unter seiner Ägide Praxis geworden und hat schwerste Schäden hinterlassen. Bei der nächsten Volkswagen-Krise, wenn Vorstand und Betriebsrat vielleicht wieder schmerzliche Einschnitte verkünden müssen, werden es die Verantwortlichen deutlich zu spüren bekommen.
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