Allg. Zeitung Mainz: Kommentar zum Tag nach der Hessenwahl
Geschrieben am 28-01-2008 |
Mainz (ots) - Regierungsbildung in Hessen? - Das kann dauern; denn nichts und niemand kann den amtierenden Ministerpräsidenten zwingen, seinen Stuhl zu räumen, es sei denn, eine Mehrheit im Landtag. Und genau die ist nicht in Sicht. Am Ende eines ungewöhnlichen Wahltags schaffte sogar auch noch die Linke den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, was die Verhältnisse zusätzlich verkomplizierte. Aber nicht nur für die unmittelbar betroffenen Politikerinnen und Politiker war der Sonntagabend ein Krimi, weil spannend bis zum allerletzten Augenblick. Auch für die Medien, die Zeitungen zumal, die ja irgendwann gedruckt werden müssen, um zum Leser zu gelangen, war das der Horror pur: Selbst das einzige Faktum, das in der Gesamtbetrachtung unumstößlich festzustehen schien - Stimmenmehrheit für die SPD - kippte im letzten Augenblick zugunsten der CDU. Roland Koch hat damit ein nicht gering zu schätzendes Argument. Denn trotz schwerster Verluste hat seine Partei immer noch die meisten Stimmen bekommen. Was das wert ist, muss sich erst noch zeigen. Außer der FDP steht kein Partner zur Verfügung; jedenfalls keiner für eine CDU mit Koch. Wohlweislich hat sich an dieser Stelle auch SPD-Chef Beck nur sehr vorsichtig geäußert. Er beharrt auf seiner Absage an die Linkspartei, weiß zugleich, dass die FDP in eine Ampel schwer einzubinden sein wird, was eine Große Koalition durchaus als realistisch erscheinen ließe. Aber halt ohne Koch, der spätestens nach seinem Wahlkampfgepolter in roten (wie in grünen) Augen als unerwünscht gilt. Heftiges Ringen überall Das Ergebnis dieser Hessen-Wahl wird aber nicht nur die Diskussion auf allen Ebenen zwischen den Parteien bestimmen, auch partei-intern wurde am Tag danach schon heftig gerungen, am meisten wohl in der FDP, die nur zu gerne auf die Regierungsbank zurückgekehrt wäre, wenn auch an der Seite eines anderen Partners. Ähnlich sieht es bei den Grünen aus, die sich vor allem an die Liberalen im Rahmen einer Ampel sehr gewöhnen müssten. Für die SPD bedeutete diese Variante zugleich ein Maximum an Machtverzicht in einer von ihr geführten Regierung. Auch das spräche eher für Schwarz-Rot respektive Rot-Schwarz. Insgesamt können sich die großen Volksparteien vermutlich aber gar nicht schnell genug an knifflige Fragestellungen wie jetzt nach der Wahl in Hessen gewöhnen. Denn der Einzug der neu formierten Linken quasi aus dem Stand in zwei Landesparlamente ist ein unübersehbarer Fingerzeig in Richtung einer immer stärker zersplitternden Parteienlandschaft. Anderwärts hat man sich an solche Verhältnisse längst gewöhnt, auch daran, dass auf diese Weise der Schwanz nur allzu leicht mit dem Hund wedelt. Aber so schlimm muss es hierzulande nicht gleich kommen. Die Parteien haben es in der Hand, eine tragfähige Lösung zu finden. Gleichzeitig müssen sie sich mit Hochdruck an die Aufarbeitung dieser Wahlen machen und dabei mit Vorrang an die Klärung der Ursachen für die wiederum nur erschütternd geringe Wahlbeteiligung. Wenn die Nichtwähler zur stärksten Fraktion werden, hat nicht eine einzelne Partei verloren, sondern die Demokratie insgesamt.
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