WAZ: Streit über Kinder-Freibeträge - Die Entdeckung der Familien - Leitartikel von Norbert Robers
Geschrieben am 04-02-2008 |
Essen (ots) - So schnell kann es gehen: Es sind gerade mal sechs Jahre vergangen, seit SPD-Altkanzler Gerhard Schröder seiner Verachtung über die Frauen- beziehungsweise Familien-Politik drastisch Ausdruck verlieh und von "Gedöns" sprach. Heute vergeht kaum noch ein Tag, ohne dass nicht irgendein Parteifunktionär einen mehr oder weniger relevanten Beitrag zur Familienpolitik leistet - aktuell geht es um die Kinder-Freibeträge. Das liegt einerseits daran, dass es sich tatsächlich um ein weites Feld handelt - vom Kinder- und Elterngeld über die Zahl der Krippenplätze bis hin zu verbesserten Berufschancen für Mütter - und damit die Zahl der thematisch beteiligten Abgeordneten und Minister relativ hoch ist. Andererseits hat dieses Thema in den vergangenen Jahren tatsächlich einen dramatischen Bedeutungssprung gemacht: Die Entdeckung der Familie ist weit vorangeschritten.
So weit sogar, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Familienpolitik zu einer Art allgemeiner Zukunftssicherungs-Politik avanciert ist. Wer Familien bemuttert, lautet die neue und parteiübergreifende Devise, stoppt den Überalterungsprozess, macht (wählende) Frauen glücklich, fördert die Beschäftigungs- und senkt die Armutsquoten, mildert damit nebenher das Problem eines mutmaßlich sinkenden Rentenniveaus ab und verschafft über eine frühkindliche Förderung der Republik insgesamt einen Vorteil im globalen Wettbewerb um Wissen und Können. Vom Gedöns zum Patentrezept: Es gibt nur wenige Politikfelder, auf denen sich innerhalb so kurzer Zeit ein solch fundamentaler Mentalitätswandel ereignet hat.
Man kann über einzelne Schritte streiten - aber die Neuausrichtung und die Fixierung auf die Familienpolitik gehören zu den wesentlichen Errungenschaften von Kanzlerin Merkel und Familienministerin von der Leyen. Letztgenannte hat es geschafft, dass die Gesellschaft die erste Phase der Debattenhysterie, vor allem unter Männern, überwunden hat und in der Sache zielgerichtet diskutiert. Und zwar über eine moderne Familienpolitik, die erstens auch Müttern eine Wahl lässt und ihnen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt eröffnet, und die zweitens das Bildungsangebot für (Klein-) Kinder verbessert.
Moderne Familienpolitik ist auch, aber nicht nur eine Geldfrage. Es geht vor allem darum, Respekt vor unterschiedlichen familiären Lebensformen zu zeigen. Das ist der beste Weg, um den viel zitierten Generationenkonflikt von morgen zu verhindern.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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