"Ich wurde von der Mafia bedroht" - Mario Adorf im Exklusiv-Interview mit Tele 5 'Der Mafiaboss - Sie töten wie Schakale', 21. Februar 2008, 00.25 Uhr
Geschrieben am 19-02-2008 |
München (ots) -
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Der beliebteste deutsche Schauspieler über Rippenbrüche, Regie-Legenden und Romanzen am Set.
Tele 5: Herr Adorf, in Deutschland kennt Sie jeder. Wie ist das in Italien?
Mario Adorf: Für die Italiener bin ich ein italienischer Schauspieler, aber für die Regisseure und Produzenten dort war ich das nie. Und das hat mich immer daran gehindert, mit großen Regisseuren wie Luchino Visconti, Francesco Rosi und Elio Petri zu arbeiten. Ich habe mit vielen guten Regisseuren gedreht, aber zu den richtig großen bin ich nie aufgestiegen.
In dem italienischen Actionthriller 'Der Mafiaboss - Sie töten wie Schakale' von 1972 spielen Sie einen Kleinganoven, der von der Mafia verfolgt wird und gnadenlos zurückschlägt. Wollte man Sie damals zum Helden aufbauen?
Das stimmt. 'Der Mafiaboss' war der zweite Film, den ich mit Fernando di Leo drehte, und wurde ein großer Erfolg. Heute genießt er so was wie Kultstatus. Aber damals merkte ich auch, wie ich zum italienischen Charles Bronson gemacht werden sollte. Das wollte ich nicht. Nach dem Erfolg von 'Ein Mann sieht rot' gab es in Italien eine Menge Selbstjustizfilme. Ich wollte die sinnlose, unmotivierte Gewalt nicht bedienen. Also habe ich danach meine Arbeit in Italien abgebrochen. Schon ein paar Jahre zuvor hatte ich in 'Pancho Villa reitet' eine Rolle abgelehnt, die dann Charles Bronson spielte. Bronson, der die gleiche Agentur wie ich hatte, war für die Rolle nur zweite Wahl. Ich lehnte sie ab, weil ich keinen spielen wollte, der einfach nur aus Lust am Töten Menschen umbringt.
In 'Der Mafiaboss' gibt es eine hervorragende Autoverfolgungsjagd. Haben Sie die Stunts damals selbst gemacht?
Ja, aber wenn ich das heute sehe, krieg' ich schon das Grausen: Es wurden keine Straßen abgesperrt, wie man das sonst macht, sondern wir sind durch den echten Mailänder Verkehr gebraust. Und ich hing die ganze Zeit vorne an der Frontscheibe. Man hatte zwar zwei Griffe angebracht, an denen ich mich festhielt, aber das Auto musste ja Zickzack fahren. In der Szene, wo mein Gegner die Tür aufmacht und ich dagegen schlage, habe ich mir zwei Rippen gebrochen. Man merkt das dann später auch beim Laufen, dass ich recht kurzatmig bin.
Warum haben Sie sich das angetan und keinen Stuntman diese Arbeit machen lassen?
Es gab früher kaum Stuntmen, die meine Figur hatten. Ich war muskulös und sehr kräftig gebaut. Es war schwer, dafür jemanden zu finden.
Ein sehr abenteuerlicher Dreh...
Und offenbar hatte die Mafia selbst ihre Hand im Spiel. Das wurde schon am ersten Drehtag sehr deutlich: Ich hielt den Nebendarsteller, der meinen Freund spielen sollte, für unfähig und so habe ich vorgeschlagen, ihn umzubesetzen. Vorher hatte ich bereits mit meinem Freund Philippe Leroy telefoniert und ihm die Rolle angeboten, für die ich ihn selbst bezahlt hätte. Danach sprach ich mit di Leo, der sagte (beugt sich verschwörerisch vor): "Schau mal, mein Vater ist ein Don. Und der hat einen sehr guten Freund, der ist auch ein Don. Und dieser Don hat in diesen Film Geld gesteckt, ist also ein stiller Teilhaber. Er möchte diesen Schauspieler unter allen Umständen in dem Film haben." Also gut, sagte ich, dann steige ich aus. Und DiLeo: "Mario, das wird sehr schwierig. Dafür müsstest Du schon einen sehr guten Grund haben, dir zum Beispiel einen Arm oder ein Bein brechen." Da hat es bei mir auf einmal geklingelt, dass das nur die Mafia sein kann. Und die bedrohen mich auch noch!
Hatten Sie Angst?
Ein wenig schon. Zumindest sagte ich mir, dass ich vorsichtig sein müsste, wenn dahinter die Mafia steckt. Die Arbeit selbst war dann aber schon in Ordnung.
Hört sich wie eine Szene aus 'Der Pate' an, für den Francis Ford Coppola Sie ja auch besetzen wollte...
Coppola fragte mich damals, welche Rolle ich mir vorstellen könnte. Ich sagte: Sonny Corleone. Aber das war wirklich schon illusorisch, dass ich die Rolle hätte spielen können. So eine Rolle würde ein deutscher Schauspieler nie bekommen. Dennoch habe ich Coppola geantwortet, dass ich James Caan für die falsche und mich für die bessere Besetzung halte. Kein guter Ausgangspunkt für eine weitere Zusammenarbeit. Als mich Coppola fragte, ob ich nicht eine andere Rolle in dem Buch für mich entdeckt hätte, sagte ich nein. Das war's dann. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass das dumm von mir gewesen ist. Aber ich war mit meiner Entscheidung immer sehr zufrieden. Klar, könnte ich sonst sagen, dass in 'Der Pate' dabei war, aber irgend so eine Type wollte ich nicht spielen.
Waren Sie immer so mutig, großen Regisseuren die Meinung zu sagen?
Ja, den Mut hatte ich. Michael Cimino habe ich bei der Rollenbesetzung von 'Der Sizilianer' gesagt, "Sie kommen hierher, lassen die besten Schauspieler vorführen und was spielen die dann? Krümel". Cimino antwortete: "Wenn ich eine Rolle anbiete, werden das keine Krümel sein". Schließlich hat Cimino mir eine Rolle angeboten, keinen Mafioso, sondern einen Polizisten. Als es dann zum Vertrag kam, hieß es, ich wäre zu teuer. Vielleicht war das ein Charakterfehler, jedenfalls sagte ich immer meine Meinung, was mir gefällt oder nicht. Auch Billy Wilder habe ich bei 'Eins zwei drei' gesagt, dass ich den "dritten Russen" nicht spiele. Wenn Ihr mir einen Russen anbietet, bietet mir nicht den dritten Russen an, sondern den ersten.
Später haben Sie dann doch noch mit Billy Wilder in 'Fedora' gedreht. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Wir haben eine Szene probiert, in der William Holden an mir vorbei kommt und ich zu ihm sage: "Herr Detweiler, ich habe eine Nachricht für Sie" Als wir dann drehten, sagte ich "Oh Herr Detweiler, ich habe eine Nachricht für Sie." Der Drehbuchautor saß dabei und verfolgte im Drehbuch, ob alles richtig sei. Und er stoppte und sagte: "Wir müssen das noch mal machen. Mario hat ein 'Oh' eingebaut und hier steht kein 'Oh'." Also wurde die Szene wiederholt, aber erneut sagte ich 'Oh'. Und ein drittes und ein viertes Mal ging das noch so. Wilder war inzwischen etwas verzweifelt, weil er ja nicht gerne mehrere Takes drehte. Er fragte, warum ich das mache, und ich sagte, ich wüsste es nicht. Bis mir die Erleuchtung kam und ich sauer wurde, weil es mir selbst nicht gleich aufgefallen ist. Also schrie ich: "Weil der Holden zu weit weg ist! Die ganze Zeit beim Proben war er ganz nah an mir dran, aber jetzt ist er immer soweit weg, mit den ganzen Komparsen zwischendrin, da muss ich mich doch bemerkbar machen!" Totenstille im Studio. Adorf schreit Wilder an - eine Gotteslästerung. Wilder ging auf und ab, schüttelte den Kopf und ging dann zum Drehbuchautor: "Mario Adorf hat Recht, ich nehme das auf meine Kappe." Da war ich echt gerührt, denn Wilder war ja auch der Produzent des Films.
Wegen eines winzigen Wortes wurde so ein Aufwand getrieben?
Das zeigt die Disziplin, die man in Amerika hat. Etwas, was ich sonst gar nicht so toll finde. Hier in Europa ist es oft lockerer und die Schauspieler haben auch eine viel größere Freiheit. Das finde ich auch richtig, denn wir sind schließlich keine Maschinen.
Sind Sie deshalb auch wieder zurück nach Europa?
Mir gefiel in Amerika die ganze Lebensart, die Einstellung und der Konkurrenzkampf der Schauspieler unter sich nicht: Der Zwang ein Leben zu leben, das ein angepasstes amerikanisches Leben sein soll, und auf die Partys zu gehen, die man mir sagt. Ich hätte mit meinem Agenten Klinken putzen müssen, was ich nie gemacht habe. Das alles hat mich in Amerika schon sehr irritiert.
Ist Ihnen der Ruhm jemals zu Kopf gestiegen?
Ich habe es nie so empfunden, aber wenn ich zurückblicke, gab es sicher mal Zeiten, wo ich doch recht selbstbewusst war. Aber richtig abgehoben bin ich nie.
Stimmt es, dass man Sie in Deutschland ein wenig als Deserteur ansah, als Sie nach Italien gingen?
Das kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil: Man hat mir meine Ausflüge nach Italien und Amerika nie vorgeworfen, sondern immer positiv beurteilt. Es gab, wenn überhaupt, Anfeindungen in Italien, aber besonders in Amerika. In Amerika herrschte zwanzig Jahre nach dem Krieg eine enorme antideutsche Einstellung. Man hat mich erstmal auf Herz und Nieren geprüft, ob ich nicht doch ein versteckter Nazi sei, mit Fragen und Provokationen.
Ein Beispiel?
Als die Schauspielergewerkschaften mitbekamen, dass ausgerechnet ein Deutscher bei 'Sierra Charriba' einen Mexikaner spielen sollte, gab es Protest. Ein paar Jahre vorher, bekam 'Nachts, wenn der Teufel kam' eine Oscar-Nominierung. In dem Film war ich blond. Als ich dann nach Hollywood kam, stand auf der ersten Seite der 'Variety' und des 'Hollywood Reporter': Warum spielt ein blonder Hunne einen Mexikaner, wo wir doch so viele arbeitslose Hispano-Schauspieler hier haben? An dem Angriff haben sich aber Regisseur Sam Peckinpah und die Produktionsfirma überhaupt nicht gestört und sehr souverän reagiert. Du bist schwarzhaarig und spielst einen Mexikaner. Fertig.
Wurde am Set zu 'Sierra Charriba' wirklich soviel gesoffen?
Ich habe schon gemerkt, dass sehr viele Drogen im Spiel waren, Alkohol und Marihuana. Aber nicht beim Drehen, sondern abends. Mich hat man aber immer ferngehalten, ich wurde da nicht reingelassen in diesen Kreis. Peckinpah hatte ein Faible für Leute, die nicht in das Klischee des braven, bürgerlichen Schauspielers passten, das waren richtige wilde Jungs. Peckinpahs wilde Jungs. Im Grunde waren sie schon sehr diszipliniert und spielten nur die bösen Jungs, mit viel Vergnügen.
Stimmt es, dass Sie danach eine Rolle in Sam Peckinpahs Westernklassiker 'The Wild Bunch' abgelehnt haben?
Die habe ich abgelehnt, weil ich nicht noch mal einen Mexikaner spielen wollte. Ich hatte einen in 'Sierra Charriba' gespielt und merkte, jetzt werde ich hier in Amerika als Mexikaner vom Dienst verbraten. Mein Agent hat mir das als höchstes der Gefühle schmackhaft gemacht. Er sagte: "Anthony Quinn will keinen Mexikaner mehr spielen, Pedro Armendáriz ist gestorben. Hier hast Du eine Lücke, damit kannst Du ein wunderbares Leben führen". Ich antwortete: Das will ich nicht. Wenn ich nach Amerika gehe, will ich anständige Rollen spielen. Ich hatte in Deutschland und Italien reizvolle Angebote und schielte zu der Zeit auch nicht nach internationalem Erfolg.
Woran arbeiten Sie momentan?
Es gibt zurzeit sehr viele schöne, schmeichelhafte Angebote, aber die Chance, dass sie wirklich gemacht werden, wird immer kleiner. Im letzten Jahr sind allein drei Filme dabei gewesen, die mir angeboten und dann nicht gemacht wurden, die alle verschoben wurden.
Aber wenn ein Mario Adorf bereits mit im Boot ist, sollte die Finanzierung doch kein Problem sein...
Schauen Sie, vor mehr als einem Jahr sollte es einen Film mit Veronica Ferres und mir in den Hauptrollen geben. Wir beide hatten bereits zugesagt. Doch der Film wurde von einer großen öffentlich-rechtlichen Anstalt abgelehnt, weil darin ein lebendiger Toter vorkommt. Da fasst man sich an den Kopf. Die Franzosen haben den Film schließlich mit Laien gemacht und er wurde auch mit Preisen ausgezeichnet. Dann sollte ich eine Kriminalkomödie machen. Aber der Sender sagte, dass sie einen reinen Krimi haben wollen. Jedenfalls geht das momentan laufend so. Einen anderen Film sollte ich spielen, im Stil von 'Cinema Paradiso' mit Vadim Glowna und mir als zwei alte, schwule Kinobesitzer. Eine wunderbare Geschichte. Erhielt aber keine Förderung und wird deshalb nicht gemacht.
Ist das nicht frustrierend für Sie?
Allmählich fängt man schon an, ein wenig zu zweifeln. Ich könnte auch sagen, ich ziehe mich zurück und fange wieder mit der Malerei an. Aber das interessiert mich nicht.
Gab es mal einen Zeitpunkt in Ihrer Karriere, wo Sie alles hinschmeißen wollten?
Überhaupt nicht. Ich kann nicht sagen, dass es mal bei mir eine echte Krise gab, dass es nicht weiter geht. Ich hatte auch immer die Geduld, zu warten.
Gab es Filme, die Sie inzwischen bereuen?
Ich habe nie bewusst einen schlechten Film angenommen, aber es sind schon einige Filme nicht gut geworden. Aber daran sind wir Schauspieler nicht schuld. Mein Bewusstsein ist auch nicht so elitär, dass ich sage, hätte ich doch nur erstklassige Filme gemacht! Ich habe meinen Beruf immer als Handwerk angesehen und immer war ich ansprechbar für Sachen, die entweder künstlerisch oder kommerziell waren. Ich habe sehr vieles abgelehnt. Und wenn man sich schon an eine Handvoll Filme erinnert, dann ist das ja auch nicht schlecht.
Bleibt bei den vielen Rollen, die Sie spielen, überhaupt noch Zeit für Freizeit?
Freizeit gab es immer mal wieder. Es sieht zwar alles sehr dicht aus und ich habe immer viel gearbeitet, aber es ist nie ein Knochenjob für mich gewesen, sondern ein wunderbar privilegierter Beruf. Ein Beruf für alte Kinder, man kann sein Leben lang spielen und das ist doch etwas Tolles.
Haben Sie sich auch mal in eine Ihrer Filmpartnerinnen verliebt?
Ich habe mich immer ein wenig in acht genommen vor den Partnerinnen, denn mir schienen die als Frauen nicht begehrenswert zu sein. Es waren oft ehrgeizige Frauen, die daran gedacht haben, wie sie am nächsten Tag ausschauen. Das hat mich immer ein wenig abgehalten und zurückgestoßen. Richtig verliebt habe ich mich auch mal, aber nicht in Sophia Loren, sondern in eine deutsche Partnerin. Aber ich möchte das nicht sagen, denn es ist unfair, solange die Leute noch leben.
Ist Ihre Frau Monique eigentlich noch mit Brigitte Bardot befreundet?
Nicht mehr. Brigitte Bardot ist total abgedriftet, hat neunzig Prozent ihrer Freunde verloren und sich ganz den Tieren zugewandt, aus einer merkwürdigen Einstellung und Enttäuschung gegenüber den Menschen heraus. Eine ganz deutliche Abkehr von allen menschlichen Beziehungen. Deswegen bin ich auch froh, dass meine Frau die Freundschaft hat ausklingen lassen.
Wieso hat sich Brigitte Bardot so gewandelt?
Schwierig zu beurteilen. Aber sie hatte nun auch kein Glück mit ihren Männern. Gunter Sachs war vielleicht der einzige gestandene Mann unter diesen Beziehungen, die meisten waren Liebhaber, die ihr kurzfristig zu Füßen lagen. Das hat sie als eine Art "Königin" ja auch ausgenützt, aber sie war auch keine begeisterte Schauspielerin, sie liebte den Beruf nicht so sehr. Sie machte es, weil man es von ihr wollte, und man sie damals zu einem Star gemacht hatte. Aber sie war keine berufene Schauspielerin.
Wem drücken Sie bei der Fußball-Europameisterschaft dieses Jahr die Daumen? Deutschland oder Italien?
Ich bin meistens für Deutschland. Es gab auch Zeiten, wo ich gesagt habe, die Italiener spielen besser, also sollen sie auch gewinnen. In der Bundesliga halte ich zum FC Bayern. Auch wenn andere sie gerne verlieren sehen, freue ich mich immer, wenn die Bayern gewinnen.
Interview: Steffen Wulf
Textrechte: ©Presse Tele 5, Verwertung honorarfrei nur bei Programmhinweis auf Tele 5.
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