Westdeutsche Zeitung: Streiks im Öffentlichen Dienst = Von Julia Klinkusch
Geschrieben am 21-02-2008 |
Düsseldorf (ots) - Personelle Kürzungen und die Nullrunden der vergangenen Jahre haben nicht nur den Unmut der Arbeitnehmer ins Unermessliche wachsen lassen: Sie setzen auch Verdi unter extremen Druck. Seit Jahren sinken die Reallöhne im Öffentlichen Dienst, immer wieder war es Bund und Städten mit Verweis auf die Wirtschaftsflaute und klamme Kassen gelungen, der Gewerkschaft ihren Willen aufzuzwingen. Doch 2008 ist nicht 2003: Denn erstens brummt die Wirtschaft mittlerweile wieder. Und zweitens ist durch die Debatte um explodierende Manager-Gehälter plötzlich wieder die Gerechtigkeitsfrage in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Sollte es Verdi zu diesem günstigen Zeitpunkt nicht gelingen, Lohnerhöhungen weit über der Inflationsrate herauszuholen und die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes am Wachstum teilhaben zu lassen, dürfte dies verheerende Konsequenzen für die Organisation haben. Seit Jahren laufen den Gewerkschaften die Mitglieder in Scharen davon. Ein Scheitern im aktuellen Tarifkonflikt würde diesen Prozess wesentlich beschleunigen, denn es käme einem Offenbarungseid gleich. Andersherum könnte ein Erfolg den Niedergang der Gewerkschaften nachhaltig stoppen, möglicherweise sogar umkehren. Die Arbeitgeber dürfen nicht ausblenden, dass der Warnstreik zwar ein bekanntes Ritual ist, aber diesmal nur als das Warmlaufen eines entschlossenen Gegners zu verstehen ist. Sollten Bund und Kommunen stur bleiben, dann droht ein brutaler, in der Geschichte der Bundesrepublik beispielloser Arbeitskampf, der vor allem die unbeteiligten Menschen im Land trifft. Doch auch Verdis starke Verhandlungsposition darf nicht in Halsstarrigkeit münden. Das Angebot der Arbeitgeber mag unzureichend sein, doch es nützt niemandem, wenn diese in die Knie gezwungen werden. Ein überzogener Abschluss führt nur dazu, dass noch mehr Stellen verloren gehen und der Arbeitsdruck weiter zunimmt. Die Tarifparteien müssen ihrem Ritual mit Augenmaß folgen: Die Gewerkschaft erpresst ein wenig mit Streiks, die Arbeitgeber geben ein wenig nach. Und am Ende gehen alle mit dem Gefühl nach Hause, dass es nur so und nicht anders laufen konnte.
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