Börsen-Zeitung: Wenn die Angst Regie führt, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 14-03-2008 |
Frankfurt (ots) - Zwei Worte reichen aus, um das aktuelle Geschehen an den Finanzmärkten zu beschreiben: schiere Angst. Niemand kann den Marktteilnehmern derzeit ernsthaft einen Vorwurf daraus machen, dass sie die stark gedrückten Kurse am Aktienmarkt nicht zum Einstieg nutzen, obwohl der Dax beinahe wieder die Tiefen vom Januar erreicht hat.
Denn die Flut negativer Nachrichten über die Finanzkrise, die längst über den engeren Subprime-Bereich hinausgewachsen ist, reißt einfach nicht ab. Im Gegenteil: Die Nachrichten werden immer beunruhigender. Kaum hatten die Anleger die existenzgefährdende Situation der Carlyle Capital Corp. verarbeitet und die Nerven hatten sich auch wieder ein wenig beruhigt, wurde ihnen zum Wochenschluss klargemacht, dass sich das System bereits am Rande der Katastrophe bewegt. Eine Wall-Street-Größe wie Bear Stearns benötigt bereits finanzielle Hilfe seitens JPMorgan und der New Yorker Fed. Kein Wunder, dass für eine Feinunze Gold jetzt mehr als 1000 Dollar zu zahlen sind.
Doch nicht nur die Frage, welche Leichen die Finanzindustrie noch im Keller hat, lähmt derzeit die Marktakteure. Wie schlimm werden die realwirtschaftlichen Auswirkungen einer Finanzkrise sein, von der gesagt worden ist, dass sie die Schlimmste in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg ist? Dass die USA bereits in der Rezession sind, bezweifelt kaum noch jemand. Die lange Kette enttäuschender Konjunkturdaten, darunter zuletzt die Einzelhandelsumsatzzahlen, spricht eine deutliche Sprache.
Dem langjährigen Bullenmarkt droht das Fundament wegzubrechen. Denn er speiste sich aus einem spektakulären Anstieg der Unternehmensgewinne. In einem bereits fortgeschrittenen Stadium des Zyklus stoßen diese jedoch seit Sommer 2007 auf durch die Subprime-Krise deutlich verstärkten Gegenwind. Sich verabschieden müssen die Akteure wohl auch von dem Gedanken, dass es anderen Regionen und insbesondere Euroland gelingen kann, sich von der US-Schwäche abzukoppeln. Dagegen spricht allein schon der Sturz des Dollar, der die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums erheblich beeinträchtigt. Dabei ist die Währung nur einer von mehreren Faktoren, die die Profitabilität belasten. Hinzu kommt die Hausse der Rohstoffe, insbesondere des Ölpreises, auch wenn der feste Euro die Folgen hier ein wenig abmildert.
Außerdem gibt es eine direkte Auswirkung der Kreditkrise. Es wird für die Unternehmen immer schwieriger, sich Kapital zu beschaffen, weil Banken und Investoren immer restriktiver werden. Vor allem aber sind die Risikoaufschläge geradezu explodiert, was die Kapitalkosten erheblich in die Höhe treibt. Ein Beispiel: Verglichen mit der Phase extrem niedriger Spreads, die noch bis vor weniger als einem Jahr bestand, muss eine Triple-B-Adresse für eine Anleihe im Umfang von 100 Mill. Euro jetzt eine jährliche Zinslast zwischen 1,7 und 2 Mill. Euro zusätzlich schultern.
Dem oft bemühten Rothschild-Satz: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" folgend, könnten die Mutigen nun versucht sein, den Einstieg in Dividendentitel zu wagen. Schließlich erreichen Aktienkurse dann ihr Tief, wenn die Nachrichtenlage am schwärzesten erscheint. Auch ist die Bewertung beispielsweise deutscher Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax auf Basis der Schätzungen für nächstes Jahr von 10 bereits so niedrig, dass auf dem aktuellen Kursniveau selbst bei substanziellen Reduzierungen der Ergebnisprognosen noch eine günstige bis moderate Bewertung vorliegen würde. Zahlreiche Einzeltitel sind bereits derart heruntergeprügelt worden, dass es dem passionierten Schnäppchenjäger in den Fingern jucken muss.
Engagements am Aktienmarkt sollten jedoch allenfalls in begrenztem Umfang und auch nur sehr selektiv eingegangen werden. Denn ein Markt, in dem die Angst Regie führt, ist auch auf bereits sehr stark gedrücktem Niveau noch für kräftige weitere Kursrückschläge gut. Außerdem muss der Bear-Stearns-Schock noch lange nicht das letzte Wort gewesen sein.
(Börsen-Zeitung, 15.3.2008)
Originaltext: Börsen-Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
Pressekontakt: Börsen-Zeitung Redaktion Telefon: 069--2732-0
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
125948
weitere Artikel:
- WAZ: Dortmund ist Vorbild - Kommentar von Wolfgang Pott Essen (ots) - Hätte sich die Stadt Dortmund tatsächlich so verhalten, wie es der Soester Bürgermeister Ruthemeyer behauptet, hätte sie also gegen Geld Arbeitsplätze abzuwerben versucht, wäre dies ein plumper Versuch gewesen. Tatsächlich aber liegt der Fall ganz anders. Die vom Strukturwandel arg gebeutelte Stadt Dortmund hat früher als andere Kommunen im Ruhrgebiet die Zeichen der Zeit erkannt und auf IT-Wirtschaft gesetzt. Hunderte kleine Firmen haben sich wie zarte Pflänzchen dort angesiedelt. Daraus könnte Großes erwachsen. Betriebe mehr...
- Diamyd erhält Zulassung für Studie der Phase III in den USA Stockholm, Schweden (ots/PRNewswire) - Diamyd Medical AB (http://www.omxgroup.com, Tickersymbol: DIAM B; http://www.otcqx.com, Tickersymbol: DMYDY). Die FDA hat Diamyd Medical die Erlaubnis erteilt, in den USA eine klinische Studie der Phase III mit dem therapeutischen Diabetes-Impfstoff Diamyd(R) bei Typ-1-Diabetikern zu beginnen. (Logo: http://www.newscom.com/cgi-bin/prnh/20080314/297194) "Wir sind sehr daran interessiert, diese Studie jetzt beginnen zu können, um unseren neu diagnostizierten Patienten mit Typ-1-Diabetes diesen mehr...
- Der Tagesspiegel: Gewerkschaften profitieren vom Tarifstreit Berlin (ots) - Die aktuellen Tarifauseinandersetzungen bringen den Gewerkschaften zusätzliche Mitglieder. Allein in Berlin hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in den vergangenen Monaten 1700 neue Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst gewinnen können, davon rund 800 bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), meldet der "Tagesspiegel am Sonntag". Vom Streik der Berliner Bus- und U-Bahnfahrer profitiert auch die Gewerkschaft der Lokführer GDL, die binnen weniger Wochen die Zahl ihrer Mitglieder bei den Verkehrsbetrieben von 60 auf mehr...
- RAG-Lösung für das Saarland / Alle Interessen berücksichtigt - Viele Arbeitsplätze könnten gesichert werden Herne (ots) - In seiner außerordentlichen Sitzung am 14. März 2008 in Herne hat der Aufsichtsrat der RAG Aktiengesellschaft beschlossen, dass das Konzept für ein Bergwerk Saar in anderen Abbaufeldern mit reduzierter Kapazität weiter verfolgt wird. "Damit wollen wir Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung ausschließen, einen Großteil der Arbeitsplätze im Bergbau und den Zuliefererbetrieben erhalten. Die Grundversorgung der Kraftwirtschaft bleibt möglich", so der RAG-Vorstandsvorsitzende Bernd Tönjes. Verzicht auf Abbau in der Primsmulde mehr...
- NE-Metallindustrie - Problemlöser bei Klima-Herausforderungen / Metallurgie-Tag in Goslar / Erstmalige Verleihung des Kaiserpfalz-Preises Goslar (ots) - Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will sich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien in Deutschland einsetzen. Auf dem Metallurgie-Tag in Goslar erklärte Gabriel am Freitag: "Solange es kein funktionierendes globales Klimaschutzabkommen gibt, brauchen wir beim Emissionshandel Sonderregelungen für die energieintensive Industrie in Deutschland. Dazu gehört die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten und der Ausgleich von Strompreisbelastungen." Gabriel forderte zudem "eine offensive Diskussion mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|