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stern: Abu-Ghraib-Soldatin Lynndie England ist "überzeugt, dass auch Rumsfeld alles wusste"

Geschrieben am 18-03-2008

Hamburg (ots) - Die US-Soldatin Lynndie England, 25, die durch die
Bilder aus dem irakischen Foltergefängnis Abu Ghraib auf traurige
Weise weltberühmt geworden war, hat sich erstmals seit ihrer
Haft-Entlassung im März 2007 ausführlich über die Vorgänge und den
Gefangenen-Missbrauch dort geäußert. In einem Exklusiv-Interview mit
dem Hamburger Magazin stern, sagt sie, dass ihre Vorgesetzten bis
hinauf zum damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sehr wohl
von den Praktiken wussten: "Wir wussten doch, dass unsere Offiziere
davon wussten, auch unsere Sergeants. Wir dachten, wenn unsere
Vorgesetzten davon wissen, wissen es auch die ganz oben. Ich bin
immer noch davon überzeugt, dass auch Rumsfeld alles wusste. Er war
in Abu Ghraib während meiner Zeit. Wie soll er nicht davon gewusst
haben? Und Bush? Der steht an der Spitze."

Ihre Kompanie, die 372. Militärpolizei-Einheit, habe nach ihrer
Ankunft im Frühherbst 2003 lediglich fortgesetzt, was in Abu Ghraib
anscheinend zuvor schon üblich war: "Als wir eintrafen im September
waren die Gefangenen schon nackt, sie trugen schon
Frauen-Unterwäsche, sie waren schon in Stress-Positionen gebracht
worden. Das lief schon eine ganze Weile so in Abu Ghraib, lange vor
uns. Wir übernahmen diese Praktiken von unseren Vorgängern", erklärte
sie gegenüber dem stern. Der Missbrauch sei vom Militär und
Geheimdienstlern sogar ausdrücklich abgesegnet worden. "Soften them
up", "kocht sie weich", sollen die Männer England zufolge gesagt
haben. "Sie gaben genaue Instruktionen über Schlafentzug, Essen oder
auch darüber, dass der Gefangene nackt in der Zelle auf dem Boden
schlafen solle."

England, die damals gerade 21 Jahre alt war, zeigt in dem
stern-Interview nur wenig Reue. Sie habe sich die ganze Zeit "nicht
richtig schuldig gefühlt, weil ich Befehlen folgte. Weil ich tat, was
ich tun musste." Gleichwohl war sie sich seinerzeit offenbar schon
über die schockierende Wirkung der Bilder bewusst. "Ich dachte,
hoffentlich kommen die Fotos nie raus! Die Menschen werden einen
anderen Blick auf den Krieg und Amerika kriegen. Und so ist es dann
auch passiert." Die Folgen waren gravierend. "Ich gebe zu, vielleicht
habe ich Tausende Menschen getötet, aber nicht direkt. Es war ein
Resultat der Fotos. Nachdem das publik wurde, griffen Iraker die
Amerikaner und Briten an, und die schlugen zurück, und irgendwann
töteten sie sich gegenseitig."

Sie habe vieles, vor allem das Posieren vor den Gefangenen, aus
Liebe zu ihrem früheren Freund und Anführer Charles Graner getan,
sagt sie in dem Gespräch: "Ich hatte damals schon ein ungutes Gefühl.
Aber ich folgte Graner. Ich tat alles, was er wollte. Ich wollte ihn
nicht verlieren."

Lynndie England verbüßte 521 Tage ihrer drei Jahre Haft und kam im
März 2007 auf Bewährung frei. Sie lebt in Fort Ashby, West Virginia,
gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem drei Jahre alten Sohn Carter
Allan, dessen Vater Charles Graner ist. England ist arbeitslos und
noch heute eine Gefangene der Fotos: "Ich kann nirgendwo hingehen,
weil mich alle erkennen. Jeder erkennt mein Gesicht und meine Stimme.
Ich habe mein Haar gefärbt, aber trotzdem hat mich jeder erkannt.
Mich erkennen sie sogar, wenn ich Hut und Sonnenbrille trage."

Originaltext: Gruner+Jahr, stern
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6329
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6329.rss2

Pressekontakt:
Das komplette Interview ist auf deutsch und englisch in der
stern-Nachrichtenredaktion abrufbar.
Eine englische Version finden Sie ab 20 Uhr auch unter
www.stern.de/england.
Für Rückfragen: stern-Nachrichtenredaktion 040-3703-3555


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