Westdeutsche Zeitung: Ein fünfjähriges Mädchen stirbt nach Misshandlungen - Alarmzeichen - und dann geschieht nichts = Von Wolfgang Radau
Geschrieben am 21-03-2008 |
Düsseldorf (ots) - Wieder einmal wühlt uns das Martyrium eines zu Tode gequälten Kindes auf. Diesmal hat sich die Tragödie in Wuppertal zugetragen, sozusagen in der Nachbarschaft, und nicht in einiger Entfernung, wie beim zweijährigen Kevin aus Bremen oder bei der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin. Diesmal legte auch das Milieu einer anscheinend soliden Familie zunächst keinen Verdacht nahe, dass für die Fünfjährigen die größte Gefahr für Leib und Leben ausgerechnet von den Menschen ausging, denen sie zur Pflege anvertraut war. Wie kann es so weit kommen, dass alle Hilfssysteme das Kind seinem Schicksal überlassen - hilflos in einem intakten Wohnquartier, in einem zivilisierten Land, in dem Ärzte Auffälligkeiten umgehend melden müssen und Pflegefamilien unter behördlicher Aufsicht stehen?
Das beste Kontrollsystem kann nicht funktionieren, wenn Alarmzeichen nicht unverzüglich weitergeleitet werden. Und wenn Empfänger der Meldung, deren Profession das ist, nicht umgehend helfend eingreifen. So beklagenswert die personelle Ausstattung in Gesundheits-, Sozial- oder Jugendämtern sein mag - die allererste Aufgabe lautet nicht klagen, sondern zupacken, Hilfe organisieren, Verbündete alarmieren. Das können Kollegen sein, Vorgesetzte, Nachbarn, politische Mandatsträger, Geistliche - Hauptsache, niemand bleibt allein in seiner Not.
In Deutschland leben nach Expertenschätzungen 35.000 Kinder in unzumutbaren Verhältnissen, leiden Hunger und Durst und werden geprügelt oder weggesperrt. Jede Woche sterben drei Kinder an den Folgen von Misshandlung - in diesem reichen Sozialstaat, in dem unterlassene Hilfeleistung unter Strafe steht. Und es sind nicht nur Kinder, für deren Wohlergehen Ämter und staatlich alimentierte Hilfsorganisationen Verantwortung tragen - auch Alte und Verwirrte leiden oft lautlos wie vernachlässigte Kinder.
In Wuppertal wird konkret zu klären sein, warum ein fünfjähriges Mädchen sterben musste, obwohl erkennbar war, dass es fortgesetzt misshandelt wurde. Aber keine Kommune darf sich in falscher Sicherheit wiegen; jede sollte rechtzeitig überprüfen und regeln, wie sie für sich solche Tragödien ausschließen kann. Bevor es zum Äußersten kommt, wie jetzt in Wuppertal.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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