Westdeutsche Zeitung: Olympia-Boykott = von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 30-03-2008 |
Düsseldorf (ots) - Endlich verschwindet in der China-Debatte die Idee vom pauschalen Olympiaboykott, dem selbst der Dalai Lama eine Absage erteilt hat. Tatsächlich träfe ein Fernbleiben einzelner oder auch zahlreicher Nationen von den Spielen vor allem die Sportler. Es gibt zudem subtilere und nicht weniger wirkungsvolle Formen des Protests gegen das Verständnis der chinesischen Machthaber von Menschenrechten und Meinungsfreiheit. Das Fernbleiben der Eröffnungsfeier von einzelnen Sportlern bis zu ganzen Delegationen gehört ebenso dazu wie andere symbolhafte Gesten: So überlegt die deutsche Wasserball-Mannschaft, Bademäntel in der orangenen Farbe tibetanischer Mönche zu tragen, weil dieses Kleidungsstück nicht der olympischen Kleiderordnung unterliegt. Das Beispiel zeigt, dass sich Protestformen finden lassen, mit denen sich die Athleten ihrer weitgehenden politischen Entmündigung durch den Milliardenkonzern IOC entziehen können. Die entscheidende Frage aber wird sein, wie die Medien mit den absehbaren Einschränkungen der Pressefreiheit in China umgehen werden. Wenn die ARD die von der WDR-Intendantin Monika Piel angestoßene Diskussion um einen möglichen Ausstieg aus der Live-Berichterstattung abzuwürgen versucht, belegt dies nur die Brisanz des Themas. Es bestehen nämlich kaum noch Zweifel daran, dass während der Olympischen Spiele genau die Bedingungen eintreten werden, die Piel als entscheidend benannt hat: Die Einschränkung freier Berichterstattung aus dem Gastgeberland China. Noch immer können Korrespondenten nicht nach Tibet reisen. Und selbst von der Feier zur Ankunft des olympischen Feuers auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat die chinesische Führung gestern 24 ausländische Journalisten ausgeschlossen, die bereits Zusagen hatten. Wenn sich die internationalen Medien nicht zu Steigbügelhaltern der chinesischen Zensur machen lassen wollen, müssen sie den Druck auf das IOC und die chinesische KP erhöhen - im Zweifel auch um den Preis einer deutlich eingeschränkten Live-Berichterstattung. Wenn es in China während der Spiele zu Protesten und Unruhen kommt, werden die spannenderen Bilder wohl ohnehin nicht die Teams der Fernsehanstalten, sondern Handykameras liefern.
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