Südwest Presse: Kommentar zum öffentlichen Dienst
Geschrieben am 31-03-2008 |
Ulm (ots) - Überraschend ist einiges an der Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Erst einmal, dass sie so schnell kam, nachdem alles schon nach einem großen bundesweiten Streik ausgesehen hatte. Das wird die Bürger erfreuen: Ihnen bleiben geschlossene Kindergärten, ungeleerte Mülltonnen oder ausfallende Nahverkehrsbusse erspart. Doch gerade sie sollten sich nicht zu früh freuen, weil sie die Folgen schnell spüren werden, ob durch steigende Gebühren oder Krankenkassenbeiträge. Denn die Tarifeinigung ist überraschend hoch ausgefallen. Die Gewerkschaften sind die eindeutigen Gewinner: Sie haben ihre Forderung nach acht Prozent Zuschlag realisiert, wenn auch auf zwei Jahre verteilt. Zudem ist der einheitliche Sockelbetrag von 50 Euro für alle da schon eingerechnet, während sie 200 Euro zusätzlich gefordert hatten. Aber immerhin: Es gibt diese soziale Komponente. Das ist gut für diejenigen, die in ihren Genuss kommen. Gerade Niedrigverdienern ist dieses Geld sehr wohl zu gönnen. Ob dieser Sockelbetrag allerdings gut ist für niedrig bezahlte Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, muss bezweifelt werden. Sicher wird keiner entlassen. Aber die Kommunen, wo es solche Stellen hauptsächlich gibt, haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie können die Mehrausgaben durch höhere Gebühren oder allgemeine Steuereinnahmen ausgleichen. Oder sie werden versuchen, solche Stellen einzusparen. Gerade für die kommunalen Arbeitgeber ist dieser Tarifabschluss eine hässliche Kröte, an der sie noch heftig zu schlucken haben werden. Kein Wunder, dass sie besonders lang für die Zustimmung brauchten. Für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist es ein großer Erfolg, dass sie dabei blieben. Bei Lichte betrachtet hatten sie auch gar keine andere Wahl. Gleich mehrere Faktoren haben nämlich den Tarifabschluss nach oben getrieben. Da waren nicht nur die Erwartungen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, die nach mageren Jahren endlich auch ihr Stück vom Aufschwung abbekommen wollten. Schon das machte es der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi leicht, mit massiven Warnstreiks eine Drohkulisse aufzubauen. Erschwerend hinzu kamen die Politiker mit ihrer Aussage, es sei ein kräftiger Schluck aus der Pulle drin. Die jüngste Preissteigerung von 3,1 Prozent tat ihr übriges. Zuletzt legte Lothar Späth als Schlichter einen hohen Vorschlag vor, der sicher nicht mehr zu unterschreiten war. Auch nach einem langen Streik wäre das Ergebnis schwerlich niedriger, sondern eher noch teurer ausgefallen. Die zentrale Frage ist nun: Passt diese Einigung in die konjunkturelle Lage? Da ist Skepsis angesagt. Die Gewerkschaften stellten ihre Forderungen noch zu Zeiten hoher Zuwachsraten auf. Seither sinken ständig die Prognosen. Gut laufende Wirtschaftsbranchen mögen fünf Prozent Tarifsteigerung in diesem Jahr verkraften. Aber als Vorgabe für die gesamte Wirtschaft taugt der öffentliche Dienst nicht. Zudem helfen hohe Steigerungsraten wenig, wenn sie die Inflation anheizen. Da bleibt rasch von einem stolzen Zuschlag wenig übrig. Eine halbe Stunde längere Arbeitszeit im größten Teil Westdeutschlands mag eine Kröte für Verdi sein, aber doch eine eher kleine. Zumal es die richtige Differenzierung gibt, dass dies nicht für besonders aufreibende Berufe gilt, insbesondere in Krankenhäusern mit Ausnahme von Baden-Württemberg. Allerdings müssen die Politiker jetzt gerade diesen sagen, wie sie die Mehrbelastung finanzieren sollen. Steigen nur die Gehälter und nicht auch ihre Budgets, führt das unweigerlich zu Personalabbau und einer noch höheren Belastung der verbleibenden Mitarbeiter - wahrlich kein Fortschritt.
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