(Registrieren)

4. Berliner Medien Gespräch der LMS und des Deutschen Presserates: "Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit, Politik, Religion und Kommerz"

Geschrieben am 17-05-2006

Bonn (ots) - Lebhaft und kontrovers diskutierten die
Podiumsteilnehmer des "4. Berliner Medien Gespräch" der
Landesmedienanstalt Saarland (LMS) und des Deutschen Presserates in
der saarländischen Landesvertretung in Berlin die Frage nach dem
Verhältnis von Journalismus und Pressefreiheit in Bezug auf Faktoren
wie Politik, Religion und Kommerz.

Wie der Gastgeber, LMS-Direktor Dr. Gerd Bauer, ausführte, böten
Schleichwerbung, Product Placement, Karikaturenstreit und "Kampf der
Kulturen" hinreichend Anlass zur Diskussion über die Frage, wie
unabhängig von politischen, gesellschaftlichen, religiösen oder
kommerziellen Interessen und Einflussnahmen redaktionelle Tätigkeiten
heute überhaupt ausgeübt werden können. Bauer erläuterte, dass die
LMS den gesetzlichen Auftrag hat, u.a. über Zulassung und Aufsicht
für private Rundfunkveranstalter zu befinden und dafür Sorge zu
tragen, dass in den Rundfunkprogrammen die Meinungsvielfalt
berücksichtigt wird. "Dabei haben wir die "Interessen der
Allgemeinheit" zu vertreten. Damit bewegt sich die LMS im
Spannungsfeld zwischen ihren Aufsichtspflichten und den
Freiheitsrechten der Veranstalter, beispielsweise in Fragen der
Satirefreiheit, des Jugendschutzes und der Werbekontrolle. Dieser
Ansatz erklärt, dass ich mich als Direktor der LMS verpflichtet sehe,
über das Tagesgeschäft der Aufsicht hinaus auch allgemeine
gesellschaftliche Fragen der Medienentwicklung aufzugreifen:
öffentlich und fachöffentlich. Dies wollen wir mit dem heutigen Thema
des 4. Berliner Medien Gespräches einmal mehr tun", so Bauer.

In seiner Keynote setzte sich der Chef der Saarbrücker
Staatskanzlei, Minister Karl Rauber, der für Medienpolitik im
Saarland zuständig ist, kritisch mit den Aufgaben von Journalisten
einerseits und Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit
andererseits auseinander: "Journalisten haben die Aufgabe, frei von
Interessen und unabhängig über Sachverhalte und Ereignisse zu
berichten, mehrere Quellen zu nutzen, abzuwägen, zu prüfen und zu
einem eigenständigen Urteil zu kommen. PR ist dagegen immer
interessengeleitet und auftragsorientiert. Es geht um bestellte
Wahrheiten, um die Kommunikation von Wettbewerbsvorteilen, um
gezieltes Auslassen von Fakten, die nicht ins Bild passen."

In seinem Grußwort für den Deutschen Presserat hinterfragte Fried
von Bismarck, Sprecher des Presserats, die Rolle der Medien in den
heutigen kommerziellen Strukturen. Er betonte, dass die Stichworte
der Tagung - Politik, Religion und Kommerz - zwar im Spannungsfeld
zum Journalismus stehen könnten, jedoch nicht einen Gegensatz bilden
dürften. "Qualitätsjournalismus kann nur auf Grundlage der
Pressefreiheit entstehen. Er sollte sich kritisch distanziert mit
Politik und Religion befassen und kann dann auch kommerziell
erfolgreich sein", so von Bismarck in seiner Grußadresse. Der
Deutsche Presserat, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag begeht,
habe mit all den Themen der heutigen Tagung ständig zu tun. Seine
Beschwerdeausschüsse bewerteten seit Jahrzehnten die
Berichterstattung in deutschen Printmedien anhand des Pressekodex.
Diese ethischen Richtlinien beinhalten Verhaltensregeln für
Journalisten und Verleger. So soll unter anderem das sittliche und
religiöse Empfinden von Personengruppen nicht verletzt werden (Ziffer
10) und redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder
geschäftliche Interessen Dritter beeinflusst werden (Ziffer 7).

In der anschließenden ersten Diskussionsrunde zum Thema
"Journalismus zwischen Pressefreiheit, Politik und Religion" unter
der Leitung des Chefredakteurs der Saarbrücker Zeitung, Peter Stefan
Herbst, zeigten sich schnell Meinungsunterschiede zwischen den
Vertretern der Politik, Ministerpräsident Peter Müller,
Bundesminister a.D. Otto Schily, Volker Beck, MdB und Erster
Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis
90/Die Grünen, und den Repräsentanten des Journalismus, dem
Bundesvorsitzenden des DJV Michael Konken und Peter Kloeppel,
Chefredakteur von RTL. Konken legte zu Beginn die Grundsätze des
Journalismus dar und betonte, die Pressefreiheit sei eines der
wichtigsten Grundgüter in einer demokratischen Gesellschaft: "Dies
umfasst auch die freie Meinungsäußerung gegenüber politischen,
wirtschaftlichen und religiösen Handlungen und Handelnden. Zudem ist
die Unabhängigkeit von politischen, religiösen und kommerziellen
Interessen und Beeinflussungen eine grundlegende Bedingung für die
umfassende Erfüllung der journalistischen Aufgabe."

Der Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller bezog sich auf
das "Spannungsfeld zwischen objektiver Pressefreiheit und subjektiver
Verflechtung von Medien mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft".
Die Medien neigen seiner Meinung nach zunehmend dazu, selbst die
Agenda zu bestimmen. "Sie nutzen die zunehmende Boulevardisierung und
Trivialisierung für einen atemlosen Meutenjournalismus aus
Zuspitzung, Verknappung, Emotionalisierung und fehlender
Differenzierung. Für Politiker ist nicht mehr entscheidend, was sie
sagen, sondern was aus dem, was gesagt wurde, gemacht werden kann.
Information und Aufklärung treten in den Hintergrund - die
demokratische Kultur leidet", so Peter Müller.

Otto Schily, Bundesminister des Innern a.D., unterstrich dazu noch
aus innenpolitischer Sicht: "Pressefreiheit bedeutet nicht die
Freiheit, die Augen vor offensichtlichen Straftaten zu verschließen
oder diese gar zu fördern. Zudem hat der Staat das Recht und die
Pflicht, sich gegen den Verrat von sicherheitsrelevanten Geheimnissen
zu schützen: Sobald wichtige öffentliche Interessen gefährdet sind,
muss der Staat eingreifen."

Volker Beck bezog sich in seinem Statement u.a. auf die aktuelle
Diskussion über Karikaturen und Satire: "Nicht alles was erlaubt ist
und unbestraft bleibt, muss man schon für geschmackvoll und
akzeptabel halten. Meinungsfreiheit meint aber gerade, dass nicht nur
die von allen akzeptierten Meinungen und Haltungen geäußert werden
dürfen. Pressefreiheit schließt daher auch das Recht ein, Religion
und Kirche zu kritisieren oder gar zu verspotten, selbst wenn damit
die Grenzen des guten Geschmacks verletzt werden. Ob
Mohammed-Karikaturen oder Sendungen wie Popetown: Muslime,
christliche Kirchen und Juden müssen Kritik und Satire ertragen. Bei
allen religiösen Bekenntnissen muss die gleiche Elle angelegt
werden."

Peter Kloeppel forderte von seinen Kollegen, wieder mehr
Verantwortungsbewusstsein für den eigenen Beruf und den Auftrag zu
entwickeln: "Die Verantwortung der Medienmacher wächst. Über das
Internet sind Medieninhalte weltweit verfügbar, und immer häufiger
sind Nicht-Journalisten für die Erstellung oder Verbreitung
verantwortlich. Religiöse Gefühle können - eventuell auch bewusst -
verletzt werden, politische und kommerzielle Interessen sind nicht
immer durchschaubar. Umso wichtiger sind deshalb journalistische
Standards, die von verantwortungsbewussten Redaktionen nicht nur
benannt, sondern auch eingehalten werden."

Das zweite Panel, das von Dr. Volker Lilienthal, Verantwortlicher
Redakteur epd Medien und Preisträger des diesjährigen Leipziger
Medienpreises, moderiert wurde, befasste sich mit dem Thema
"Journalismus zwischen Unabhängigkeit und Kommerz". Der Vertreter des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks Fritz Raff, Intendant des
Saarländischen Rundfunks, sprach sich in Bezug auf eventuelle
kommerzielle Interessen für die Wahrung des gesellschaftspolitischen
Auftrages von Journalisten und im Speziellen für die Aufgaben der
Öffentlich-Rechtlichen aus: "Ohne objektiven und unabhängigen
Journalismus kann eine Demokratie nicht funktionieren. Wenn heute in
manchen Medien die Grenzen zwischen Journalismus und PR oder
Information und Werbung nicht mehr erkennbar sind, wird der
öffentlich-rechtliche Rundfunk als Korrektiv noch wichtiger. Die
Gebührenfinanzierung schafft die Voraussetzung dafür, dass der
öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen gesellschaftspolitischen
Auftrag auch in Zukunft wahrnehmen kann - unabhängig von
kommerziellen Interessen."

Hubertus Meyer-Burckardt, Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 AG
und damit Repräsentant der privaten Medien zitierte Hanns-Joachim
Friedrichs, der sagte, man erkenne einen guten Journalisten daran,
dass er sich nie gemein mache mit einer Sache, auch nicht mit einer
guten Sache. "Insofern ist mir um unabhängigen Journalismus nicht
bange, denn wir haben überwiegend ausgezeichnete Journalisten, die
Unabhängigkeit als die elementare Voraussetzung für ihren Beruf
empfinden", so Meyer-Burckhardt.

Während der Vorstandsvorsitzende der Scholz & Friends AG,
Sebastian Turner, betonte, unabhängiger Journalismus sei auch
kommerziell erfolgreicher, machte sich Medienunternehmer Moritz
Hunzinger Gedanken über die journalistische Unabhängigkeit im
Allgemeinen: "Bundespräsident Johannes Rau mahnte vor exakt zwei
Jahren, Journalisten müssten unabhängig von ökonomischen Interessen
sein. Und er fragte, wie eigentlich Themen entstehen, die uns
wochen-, manchmal auch monatelang beschäftigen? Natürlich durch
aktuelle Ereignisse. Immer öfter aber stellt sich doch die Frage, was
der eigentliche Anlass großer Debatten in unserem Land ist. Auch das
hat mit Unabhängigkeit zu tun, allerdings nicht mit ökonomischer,
sondern mit geistiger Unabhängigkeit. Hier sehe ich den
Orientierungsrahmen." Die Sprecherin des Deutschen Presserates bis
März dieses Jahres, Dr. Ilka Desgranges, setzte sich während der
Diskussion vehement für die Unabhängigkeit des Journalismus ein:
"Journalisten dürfen sich bei ihrer Arbeit nicht von kommerziellen
Interessen beeinflussen lassen - dies fordert auch der Pressekodex."
Desgranges wies ebenfalls auf die Bedeutung des Presserats in Bezug
auf die Pressefreiheit in Deutschland hin. "Neben all den
Beschwerden, die der Presserat zu bearbeiten hat, ist ein weiterer
wichtiger Schwerpunkt die Lobbyarbeit für die Pressefreiheit. Der
Presserat ist hier seit Jahrzehnten ein gefragter Gesprächspartner
für die Politik. Zu verschiedenen Gesetzentwürfen, die die
Pressefreiheit in Deutschland tangieren, wird auch der Presserat als
Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien immer aufs Neue befragt
und um Stellungnahmen gebeten. Er begleitet viele Gesetzesvorhaben
kritisch und warnt vor Gesetzeslücken in deutschen Gesetzen."

Originaltext: Deutscher Presserat
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=14918
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_14918.rss2

Ella Wassink
Referentin Öffentlichkeitsarbeit, Deutscher Presserat (Tel.
0228-98572 - 0)

Isabell Mering
Pressesprecherin/Leiterin des Büros des Direktors, LMS (Tel.
0681-38988 - 0)


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

12927

weitere Artikel:
  • "Selbstbewusst, aber bescheiden. Außenpolitik in der Großen Koalition", Forum Pariser Platz, Samstag, 20. Mai 2006, 22.15 Uhr, PHOENIX-ROGRAMMHINWEIS Bonn (ots) - Zum Thema Günther Nonnenmacher und Dieter Jepsen-Föge im Gespräch mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Die deutsche Außenpolitik erfährt zurzeit weltweit ein positives Echo. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei der Münchener Sicherheitskonferenz für ihre deutlichen Worte in Richtung Iran viel Anerkennung erfahren. Auch für den deutschen Auftritt beim EU-Beitrittsgipfel im Dezember und Merkels klar ablehnende Haltung zu Guantanamo zollen ihr selbst Kritiker Respekt. Die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister mehr...

  • Hauptpreis für ZDF/ARTE-Koproduktion "Vor dem Flug zur Erde" beim Dokumentarfilmfestival in Madrid / "Manana al Mar" in Berlin erfolgreich Mainz (ots) - Zwei ZDF/ARTE-Dokumentarfilme haben bei internationalen bzw. nationalen Festivals eine Auszeichnung als Bester Film gewonnen. Der bereits mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm "Vor dem Flug zur Erde" von Arunas Matelis, eine Koproduktion von ZDF/ARTE, wurde am 15. Mai 2006 beim 3. Festival des Internationalen Dokumentarfilms "Documenta Madrid" mit dem Hauptpreis für den Besten Film ausgezeichnet. Die Auszeichnung ging ex aequo an den französischen Film "Alimentation générale". "Vor dem Flug zur Erde" erzählt vom Alltag auf einer mehr...

  • ARD Sportschau weiterhin mit zwei Stunden Samstagsfußball / Warm-up mit nationalen und internationalen Spielen / höhere Werbepreise München (ots) - In der nächsten Saison hat die ARD am Samstag weiterhin knapp zwei Stunden Fußball im Programm. Die "Sportschau" startet mit der Ersten Liga zwar erst um 18.30 Uhr. Vorher aber werden eine halbe Stunde lang Spiele aus anderen deutschen und internationalen Ligen gezeigt. Dies berichtet das Wochenmagazin W&V in seiner morgen erscheinenden Ausgabe (ET: 18.05.). Die Ziehung der Lottozahlen wird in diesem Zusammenhang auf 19.55 Uhr verschoben. Auch die Werbepreise werden steigen - für die Zeit nach 18.30 Uhr um rund acht Prozent. mehr...

  • Tee verbindet: Tea Board of Kenya übernimmt Patenschaft für Giraffenbaby "Layla-Nandi" in Hagenbecks Tierpark Hamburg (ots) - - Querverweis: Bild wird über obs versandt und ist unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs abrufbar - Neugierig verfolgt "Layla-Nandi" das Geschehen an ihrem Gehege im Tierpark Hagenbeck: Soeben hat Chairman Nicholas Nganga im Namen des Tea Boards of Kenya, der Interessenvertretung der kenianischen Teewirtschaft, die Patenschaft für das drei Monate alte Giraffenbaby übernommen. Damit wird die traditionell gute Verbindung zwischen dem afrikanischen Land und der Hansestadt um einen weiteren Freundschaftsbeweis mehr...

  • PHOENIX mit umfangreicher Berichterstattung zur Verleihung des Karlspreises 2006, PHOENIX-Programmhinweis für Mittwoch, 24. Mai, 15 Uhr, Donnerstag, 25. Mai, 10.45 Uhr, Freitag, 26. Mai, 21 Uhr + 21. Bonn (ots) - Er gilt als Vordenker des europäischen Einigungsprozesses, als Brückenbauer zwischen Politik, Bevölkerung und Europäischer Gemeinschaft: Jean-Claude Juncker. Der Premierminister des Großherzogtums Luxemburg erhält am 25. Mai den "Internationalen Karlspreis", eine der bedeutendsten europäischen Auszeichnungen. Die Stadt Aachen würdigt damit Junckers Verdienste um die Europäische Union. Der ehemalige EU-Ratspräsident gehört als entscheidender Mitgestalter der Maastrichter Verträge zu den Gründungsvätern der EU. Die Auszeichnung mehr...

Mehr zu dem Thema Sonstiges

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Sat1.de mit neuem Online-Spiele-Portal Sat1Spiele.de / SevenOne Intermedia baut Bereich Games weiter aus

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht