ots.Audio: Baden-Württembergs Ärzten reicht's: Tausende wollen Kassenzulassung abgeben - Großveranstaltung in der Stuttgarter Schleyer-Halle bildet den Startschuss für den Systemausstieg
Geschrieben am 17-04-2008 |
Stuttgart (ots) -
- Querverweis: Audiomaterial ist unter http://www.presseportal.de/audio und http://www.presseportal.de/link/multimedia.mecom.eu abrufbar -
Anmoderation: Den niedergelassenen Ärzten in Baden-Württemberg reicht's: Mehr als 8.000 Mediziner haben gestern Abend (Mi., 16.4.) bei einer Großveranstaltung in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle den Startschuss gegeben für den kollektiven Ausstieg aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie wenden sich gegen ständig schlechter werdende Rahmenbedingungen für ihre Arbeit:
1. O-Ton Umfrage Der Wust an Verwaltungsarbeit, der immer weiter uns übersteigt, das Auseinanderklaffen dessen, was man an Leistung bringt und was letztendlich dann als Bezahlung für uns übrig bleibt. - Wir werden ja nur nach Punkten bezahlt, und diese Punkte, die werden dann hinterher auch noch zusammen gekürzt. Also, wenn wir nicht die Privatpatienten noch hätten, dann könnten wir alle dichtmachen. - Wir halten uns über Wasser mit Dingen, die eigentlich mit der kassenärztlichen Bezahlung nichts zu tun haben. - Wenn uns nächstes Jahr nochmal zehn Prozent Honorar weg geht, wer soll das auf Dauer verkraften? - Die Entwicklung der letzten Jahre war traurig. Es hat sich nichts überhaupt nichts getan in der Politik. Es wurden zwar immer Versprechungen gemacht, aber es wurde in keiner Weise irgendwo eine Besserung unserer Situation erzeugt. - Man kann das ja gar nicht vermitteln, dass man für 15 Euro einen Hausbesuch macht und dafür 20 Kilometer durch die Gegend fährt. (0:44)
55 Euro pro Quartal und Patient für eine Rundum-Versorgung - unter diesen Bedingungen können die Ärzte die Versorgung der Patienten nicht aufrechterhalten. Doch alle Protestaktionen, Praxisschließungen und politischen Forderungen haben nichts genützt. Deshalb bereiten die Mediziner jetzt den Systemausstieg vor. Der Ärzteverbund MEDI Deutschland möchte erreichen, dass mehr als 70 Prozent der rund 16.000 niedergelassenen Ärzte im Land ihre Kassenzulassung zurückgeben. Endgültig entschieden wird darüber Ende 2009. Dr. Werner Baumgärtner, Vorsitzender von MEDI Deutschland:
2. O-Ton Dr. Baumgärtner Wir haben ja ein Vierteljahr sozusagen Karenz, also wir steigen aus und müssen dann noch ein Vierteljahr weiter arbeiten. Und ich gehe mal davon aus, dass man eben versuchen wird, in diesem Vierteljahr dann schon neue Rahmenbedingungen zu verhandeln, so dass die Patienten von diesem ganzen Spektakel eigentlich gar nicht so viel mitbekommen. Problematisch würde es nur, wenn wir uns in dem Vierteljahr nicht einigen würden. Wenn wir die Praxen schließen müssten, und das würden wir tun, dann würde es der Patient merken. Und wir müssten dann wirklich die Praxen so lange schließen, bis klar ist, wie es in unseren Praxen weitergeht. (0:30)
Die Patienten stehen Seite an Seite mit den niedergelassenen Ärzten, sagt Autorin Renate Hartwig. Bekannt geworden als Scientology-Kritikerin, hat sie jetzt die Kampagne www.patient-informiert-sich.de ins Leben gerufen und kämpft - unter anderem mit einer Unterschriftenaktion bei Patienten und Versicherten - gemeinsam mit den Ärzten für bessere Rahmenbedingungen.
3. O-Ton Renate Hartwig Der Schulterschluss zwischen Arzt und Patient ist schon deshalb gegeben, weil wir beide im gleichen Boot sitzen. Wenn die Ärzte nicht aussteigen, fahren wir Patienten gegen die Wand. Denn diese Paragraphenreiterei und dieser Bürokratismus heißt im Klartext: Uns wird per Gesetz die freie Arztwahl entzogen. (0:17)
Bis Ende 2009 können die niedergelassenen Ärzte bei einem Treuhänder ihre Erklärung hinterlegen, dass sie aus dem Kassensystem aussteigen wollen, wenn mindestens 70 Prozent ihrer Kollegen das auch tun. Ziel ist das so genannte Systemversagen, so der MEDI-Vorsitzende Dr. Baumgärtner:
4. O-Ton Dr. Werner Baumgärtner Das Ziel des Ausstiegs wäre, dass wir andere Rahmenbedingungen von der Politik erzwingen und mit den Krankenkassen verhandeln. Und ich denke, wir werden dann zum Beispiel neue Verträge, so wie wir jetzt mit der AOK Baden-Württemberg ja im Augenblick einen guten Vertrag verhandeln, gerne weiter führen, und es wird andere gesetzliche Rahmenbedingungen geben. Und es wird sicher in einzelnen Bereichen deutlich mehr Kostenerstattung, also Rechnungsstellung, und Transparenz über die Kosten geben. (0:27)
Die Ärzte sind fest entschlossen, auszusteigen, wenn Krankenkassen und Politik nicht vorher umsteuern. Die 8.000 Mediziner in der Schleyer-Halle haben einen Forderungskatatlog beschlossen. Unter anderem verlangen sie Vergütung nach Stundensatz vergleichbar mit anderen freien Berufen, ein Ende von Budgetierung und Zuteilungsmedizin in den Praxen, 25 Prozent der Kassenausgaben für die ambulante Verorgung bei den niedergelassenen Ärzten und ein Ende der überbordenden Bürokratie in den Praxen.
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Originaltext: MEDI Deutschland Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/61059 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_61059.rss2
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