Der Tagesspiegel: Ex-Außenminister Joschka Fischer fordert neue Afghanistan-Politik und erwartet Einsatz der Bundeswehr im Süden des Landes
Geschrieben am 03-05-2008 |
Berlin (ots) - Die Bundeswehr wird nach Ansicht des ehemaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer in absehbarer Zeit auch im besonders gefährlichen Süden Afghanistans kämpfen müssen. Nach dem bevorstehenden Regierungswechsel in den USA werde sich die Bundesregierung entsprechenden Forderungen der Nato-Verbündeten nicht mehr länger verschließen können, sagte Fischer dem Berliner Tagesspiegel in Toronto.
"Mit einer neuen US-Regierung werden wir früher oder später auch im Süden kämpfen - aber wir werden immer noch die Bösewichte sein, die eine gute Möglichkeit verpasst haben, das aus eigener Initiative zu tun", sagte Fischer bei einem Besuch im Munk-Zentrum für internationale Studien der Universität Toronto. Der ehemalige Außenminister und Grünen-Politiker sieht es als "großen Fehler" der Merkel-Regierung, dass Deutschland sich in den vergangenen zwei Jahren gegen Forderungen von Nato-Partnern wie Kanada und den USA gesperrt hat, die Bundeswehr auch im Süden Afghanistans einzusetzen. Ein neuer US-Präsident werde die Deutschen demnächst viel stärker in die Pflicht nehmen: "Die nächste amerikanische Regierung wird da ganz anderen Druck machen als es Bush noch vermag," sagte Fischer.
Joschka Fischer kritisiert, Deutschland und die EU hätten schlicht "keine Pakistan-Politik", obwohl der Nachbarstaat Afghanistans für viele Probleme in Afghanistan verantwortlich sei und sich zur Basis für islamistische Al-Quaida-Kämpfer entwickelt habe. Bei der Konferenz am Petersberg bei Bonn 2001 sei die Rolle der Nachbarstaaten für die Zukunft des Landes nicht ausreichend berücksichtigt worden und die "selbstverursachte Schwäche" der USA durch den 2003 begonnenen Irakkrieg nicht absehbar gewesen. Daher sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen neuen Petersberg-Prozess starten, fordert Fischer: "Ich würde ihr raten, intiativ zu werden," sagte er dem Tagesspiegel.
Zudem müsse die Bundesregierung das Ziel des Afghanistan-Einsatzes offensiver vertreten: "In Deutschland hat man vergessen, wieso wir eigentlich da sind." Es müsse wieder deutlich werden, dass der Krieg eine Reaktion auf die Terroranschläge in den USA im September 2001 war - Anschläge, wie sie nach Fischers Erwartung "wieder passieren werden", wenn der Kampf gegen Taliban und Al-Quaida-Kämpfer keinen Erfolg habe.
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