Die Dienstwagenflotte der Spitzenpolitiker: Ordentlich was unter der Haube
Geschrieben am 08-05-2008 |
Berlin (ots) -
- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen Pressemappe zum Download vor und ist unter http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -
Neue Dienstwagen-Erhebung der Deutschen Umwelthilfe zeigt ernüchterndes Ergebnis: Die meisten Minister lässt die Treibhausdebatte kalt - Vorbildcharakter beim Lebensstil wird unterschätzt - Nur Berliner Umweltsenatorin Lompscher hält EU-Zielwert für CO2 ein - Viele Spitzenpolitiker verweigern Auskunft mit vorgeschobenen Sicherheitsargumenten - Minister werden reihenweise erst bei "Tempo 250 elektronisch abgedrosselt" - Umweltminister Gabriel senkt Klimagasausstoß im eigenen Haus, bricht aber CO2-Kompensationsversprechen - DUH veröffentlicht Klimakiller-Liste
Berlin, 8. Mai 2008: Wenn es um ihre Dienstlimousinen geht, zeigen sich unsere Spitzenpolitiker von der anhaltenden Klimadebatte mehrheitlich völlig unberührt - auch solche, die qua Amt die Umwelt schützen sollen. Die Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (NRW, CDU), Ottmar Bernhard (Bayern, CSU), Volker Sklenar (Thüringen, CDU) und Hans-Heinrich Sander (Niedersachsen, FDP) stoßen mit ihren zumeist neuen Limousinen durchweg doppelt soviel Treibhausgase aus wie die EU-Kommission künftig noch straflos zulassen will. Sie gelten deshalb klar als Klimakiller. Erst bei Tempo 250 werden die Dienst-Boliden elektronisch abgedrosselt. Auch die meisten Bundesminister haben nicht dazugelernt. Bei Familienministerin Schavan ist der Klimagasausstoß ihres neuen Dienstwagens gar um 10% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Spitzenreiter in Verbrauch, Klimagasausstoß und Höchstgeschwindigkeit ist der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Von ihm allerdings ist nicht anzunehmen, dass er die 250 km/h-Ignoranz-Schwelle als einziger unter seinen Kollegen erreicht. Denn 12 der 16 Länderregierungschefs verweigerten der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), die die "Erhebung über den Dienstwagenpark an der deutschen Staatsspitze" zwischen März und Mai 2008 erstellte, bis heute standhaft die Auskunft.
"Nach eineinhalb Jahren intensiver Klimadebatten, nach Weltklimakonferenzen und zahlreichen Gesetzesinitiativen zur Eindämmung der Klimakiller ist die Dickfelligkeit vieler Politiker bei der Wahl ihres Dienstwagens erschreckend", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Politiker wie die Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher zeigen, dass es möglich ist, Dienstwagen im Einklang mit den derzeit geltenden EU-Zielwerten für den Klimagasausstoß zu verwenden".
Selten habe eine Recherche der DUH einen solchen Aufwand erfordert und sei auf soviel hinhaltenden Widerstand gestoßen wie diese eigentlich überschaubare Dienstwagenerhebung, die sich juristisch auf die jeweiligen Umweltinformationsgesetze (UIG) des Bundes und der Länder stützte, bekannte Resch. Oftmals hätte wochenlang telefoniert werden müssen, Antworten blieben bis zum Schluss unvollständig. Deshalb werde die DUH die Liste im Internet unter www.duh.de laufend aktualisieren und im Einzelfall auch nicht davor zurückschrecken, die Informationen vor Gericht einzuklagen. Als ausgesprochen phantasievoll hätten sich die Ministerien und Staatskanzleien insbesondere bei der Verweigerung erwiesen. Unangefochten auf Nummer eins der Ablehnungsgründe standen angebliche Sicherheitsbedenken. Vor allem die Ministerpräsidenten, die gerne Tag für Tag in den Abend- und Tagesschauen ihren dunklen Wichtig-Limousinen entsteigen, wollten nicht so gern verraten, was sich unter der Haube abspielt. "In vielen Fällen reicht die gewählte Motorisierung heran an die der schwersten Lkw, die auf deutschen Straßen zugelassen sind - und an deren Klimabelastungen", sagte Resch.
Manche Staatskanzleien, wie etwa die nordrhein-westfälische, schickten nach einigem Hin und Her rechtsmittelfähige Bescheide, in denen es um die Sicherheit "bedeutsamer Schutzgüter" ging - gemeint in diesem Fall: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) - andere versuchten die Anfrage auszusitzen und reagierten zunächst gar nicht. Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) argumentierte eher bodenständig: Weil DUH-Mitarbeiter im Januar 2008 die Einhaltung der Umweltzone in Hannover in "schwarzen Bomberjacken" kontrolliert hätten (es handelte sich um dunkle Regenjacken mit der Aufschrift "Feinstaub-Kontrolle", DUH), werde es überhaupt keine Auskunft geben. Erst nach einer Klagedrohung der DUH in der vergangenen Woche knickte Sander ein und bekannte sich zu seinem BMW 765 mit 330 PS. Der thüringische 250km/h-Minister Volker Sklenar zeigte sich eher amüsiert und erkundigte sich nach dem "Dienstwagen des Bundesgeschäftsführers der DUH" (trotz Sicherheitsbedenken: Es ist ein Toyota Prius Hybrid mit 104 g CO2/km, DUH).
Doch neben dem großen Minister-Mainstream, der sich, was PS-Zahl, Höchstgeschwindigkeit und Klimakiller-Potenzial angeht, nur knapp hinter der Spitzengruppe einreiht, gibt es auch einige Ressortchefs, die zeigen, dass es auch anders geht. Die Berliner Umweltsenatorin Lompscher (Linke) lässt sich in einem Toyota Prius Hybrid (104 g CO2/km) chauffieren, der neue Hamburger Wirtschaftssenator Axel Gedaschko begnügte sich in seiner Zeit als Umweltsenator mit einem 5er BMW Diesel (165 g CO2/km) und die Umweltressortchefs Stefan Mörsdorf (Saarland, CDU) und Reinhard Loske (Bremen, B90/Grüne) fahren einen Mercedes mit Gasantrieb (222 g CO2/km).
Eine Reaktion auf die Klimadebatte - und eine erste Dienstwagen-Erhebung der DUH im Februar 2007 - gab es auch im Bundesumweltministerium in Berlin: Neben seinem Audi A 8 2.8 FSI mit 238 km/h und 199 g CO2/km, darf sich Minister Sigmar Gabriel (SPD) inzwischen an einem Test-Mercedes S 400 Hybrid erfreuen (der demnächst auch dem 250 km/h-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, SPD, zur Verfügung stehen soll), außerdem steht dem Umweltminister ein Erdgas-Mercedes E 200 NGT (227 km/h, 222 g CO2/km) zur Verfügung. Binnen eines Jahres sei der durchschnittliche CO2-Ausstoß des BMU-Fuhrparks zudem von 205 auf 167 g CO2/km und damit um 19 Prozent verringert worden, behauptet das Ministerium in seiner Antwort auf die DUH-Anfrage.
In anderen Bundesministerien sind ähnliche Entwicklungen bisher nicht erkennbar. Und auch Gabriel erlebte ein Debakel: Nachdem die DUH-Erhebung im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht hatte, setzte der Umweltminister im Kabinett eine Entschließung durch, wonach der CO2-Ausstoß der übergewichtigen Spritfresser in den Ministerien mit Bußzahlungen an Klimaschutzprojekte kompensiert werden sollte. Nach Informationen der DUH harrt dieser Beschluss mehr als 12 Monate später weiter der Umsetzung.
Resch: "Es geht heute bei der Frage der Motorisierung unseres politischen Spitzenpersonals nur vordergründig um Symbolik. Tatsächlich bestimmen die Minister mit ihrem Vorbild mit darüber welche Autos morgen gekauft werden. US-amerikanische Starlets und Pop-Ikonen sind an diesem Punkt erheblich weiter als die Mehrheit deutscher Minister."
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Pressekontakt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 2400867-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 24008670, Mobil: 0171 5660577, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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