Lothar Bisky: Große Koalition tanzt erfolgreich auf der Stelle
Geschrieben am 27-02-2006 |
Berlin (ots) - Zur Bilanz der Großen Koalition nach den ersten 100 Tagen erklärt der Parteivorsitzende Lothar Bisky:
Die ersten 100 Tage der Großen Koalition haben viel verändert - im politischen Stil und im Umgang der beiden ehemals gegnerischen Parteien miteinander. Dass die "Großen" sich anscheinend zusammengerauft haben und Angela Merkel ausgleichend führt, wird der Regierung positiv angerechnet. Ob sich hinter dieser Kulisse die Chance zu einer neuen Sachlichkeit in der Politik verbirgt, muss sich erst noch zeigen.
Im politischen Handeln tritt die Koalition erfolgreich auf der Stelle. Gemessen am Wahlprogramm der CDU/CSU ist das für die meisten Bürger und Bürgerinnen auch gut so. Denn das, was die CDU an neoliberalen Radikalreformen zusammen mit den gelben Marktfundamentalisten "durchregieren" wollte, wäre der Mehrheit nicht nur ans Geld gegangen, sondern auch an das Lebensgefühl und hätte die noch verbliebenen sozialen Sicherheiten und Verlässlichkeiten heftig erschüttert.
Unser Wahlerfolg ist, dass die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit zum Gegenstand des politischen Wettbewerbs der Parteien geworden ist. Die Union wurde in ihrem offenen Kurs der sozialen Kälte ausgebremst und sucht jetzt den Weg zu einer "neuen Gerechtigkeit". Die SPD will sich in der linken Mitte neu verorten und Garant für "Zukunft und Gerechtigkeit" werden.
Wenn ich das politische Handeln von SPD und CDU in den ersten 100 Tagen betrachte, fällt mit der Foxtrott ein - der "Universaltanz" unter den Standardtänzen. Das Markante an ihm ist, dass er fast durchgehend aus gleichmäßigen, relativ langsamen Schritten besteht, wobei ständig geschoben oder gezogen wird. Die Schrittfolge: erst zwei lange Schritte vorwärts und einen kleinen zur Seite, dann zwei lange Schritte rückwärts und wieder einen kleinen Seite - der Herr nach rechts, die Dame nach links.
Für die Politik der Großen Koalition heißt das: - Dieses Jahr wird ein wenig aktive Konjunkturpolitik betrieben, um im nächsten Jahr mit der Mehrwertsteuererhöhung das Gegenteil zu betreiben. - Die "Rente mit 67" ist de facto eine Rentenkürzung nach altem Schröder-Muster, weil es die Arbeitsplätze überhaupt nicht gibt, mit denen die Älteren zwei Jahre länger ihr Erwerbseinkommen erarbeiten sollen. Dass die Schaffung von Arbeitsplätzen der Schlüssel zur Sanierung der Rentenkasse ist, scheint auch diese Regierung nicht begreifen zu wollen.
- Erwerbstätige Eltern sollen mehr Geld für die Kinderbetreuung erhalten, aber für Kinder nichterwerbstätiger, arbeitsloser und sozial benachteiligter Eltern werden die Chancen schlechter, durch vorschulische Betreuungsangebote Defizite beim Schulstart ausgleichen zu können.
- Das Arbeitslosengeld II für Ostdeutsche wird auf Westniveau angehoben und damit ein Stück deutsch-deutscher Ungleichbehandlung bereinigt. Gleichzeitig wird die Leistung für Erwachsene zwischen 18 und 25 wieder gesenkt, werden volljährige, wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger gezwungen, bei ihren Eltern zu wohnen! Was hat das mit "neuer Gerechtigkeit" und "Zukunft" zu tun?
- Schließlich die Föderalismusreform: Bildung ist endgültig Ländersache! Welch ein fatales Signal in Zeiten von PISA und Wissensgesellschaft. Rot-schwarz stiehlt sich aus der Verantwortung für die Zukunft und überträgt sie den sechzehn Länderregierungen!
Sehe ich das Verhältnis von Staat und Demokratie, frage ich mich: Regiert die Koalition tatsächlich? Oder hat sie nur einen neuen, eigenen Stil entwickelt, mit dem sie die Kapitulation von Demokratie und Staat vor den Interessen der Wirtschaft verschleiert?
Gemessen am Wählerwillen vom September, der im Ergebnis weder ein "Weiter so" mit Schröder und Fischer noch ein "Durchregieren" mit Merkel und Westerwelle wollte, hat die Koalition bisher versagt: - Was tut sie gegen die Entmachtung der Demokratie durch die Wirtschaftsinteressen? - Wo werden Regeln und Pflichten zugunsten der Gemeinschaft festgelegt, die auch für die großen Unternehmen und global player gelten? - Wo werden Freiräume geschaffen gegen den puren Ökonomismus und das alles beherrschende Dogma von Gewinnmaximierung?
Merkel und Platzeck sind bisher die Antworten schuldig geblieben.
Vom verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau stammt der Ausspruch, dass ein demokratischer Staat mehr sein muss als eine Agentur zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Der Staat habe die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu stärken, auch und vor allem vor den ökonomischen Kräften.
Die Große Koalition hat auf dem Marsch in den Wirtschaftsstaat zwar innegehalten. Ein Politikwechsel steht noch aus!
Originaltext: Die Linke.PDS Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=41150 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_41150.rss2
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