Lausitzer Rundschau: Erneut totes Baby in der Lausitz gefunden: Das Unerklärliche erklären
Geschrieben am 16-05-2008 |
Cottbus (ots) - Schwarzheide. Lübben. Frauenhain. Und nun Laasow am Gräbendorfer See. Innerhalb eines halben Jahres sind in der Region die Leichen von vier Babys gefunden worden - erdrosselt, erstickt, erschlagen. Wie könnte man anders darauf reagieren als mit Trauer, Entsetzen und Sprachlosigkeit. Aber wir dürfen nicht schweigen. Wir müssen uns den Tatsachen stellen, so schrecklich sie sind. Und wir dürfen dabei nicht der Versuchung erliegen, das Grauen locker wegzuerklären. Etwa, indem wir allein und ausschließlich auf die Verantwortung des Individuums verweisen. Natürlich: Schuld ist immer individuell. Der einzelne ist für sein Handeln selbst verantwortlich, auch das ist Teil seiner Menschenwürde. Aber wer in der Häufung solcher Taten in einer Region nichts weiter erkennen will als die Summe tragischer Einzelfälle, der wird dem Phänomen in keiner Weise gerecht - und sagt in letzter Konsequenz nichts anderes, als dass alle Bemühungen gegenzusteuern vergeblich sein müssen. Eine Antwort, mit der sich keine Gesellschaft zufrieden geben kann und darf. Auf der anderen Seite wäre es genauso falsch, individuelle Taten derart zu verallgemeinern, dass sie sich in den äußeren Umständen quasi auflösen. "Die Umstände sind schuld". Oder: "Das Individuum ist schuld." Beides mag, irgendwie, stimmen. Aber wer so urteilt, macht es sich zu einfach. Der kann sich zurücklehnen und muss sich mit der Sache nicht weiter beschäftigen. Eine ähnliche Wirkung haben übrigens die heftigen Debatten, die sich in der Vergangenheit um die These gedreht haben, bei den Kindstötungen handele es sich zuvorderst um ein Phänomen der neuen Bundesländer, das sich aus Einstellungen erklären lasse, deren Ursprung in der früheren DDR zu finden sei. Als Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sich vor einiger Zeit etwas unbeholfen in dieser Richtung äußerte, empörte sich die Republik tagelang nur noch über die "Entgleisungen" des gebürtigen Lausitzers - und wechselte damit fast unbemerkt das Thema: Plötzlich ging es, einmal mehr, um die historische Einordnung der DDR, deren Existenz bekanntlich im Jahre 1990 endete. Und nicht mehr um die Babys, die heute sterben. Wir sollten also beim Thema bleiben. Und wir sollten allen zuhören, die ernsthaft versuchen, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich uns allen stellen - auch, wenn uns möglicherweise nicht alle Antworten gefallen: Was treibt Mütter dazu, einen menschlichen Urtrieb überwindend, das eigene Kind zu töten? Wie kommt es, dass bei den Täterinnen das Unrechtsbewusstsein zumindest im Moment der Tat fehlt oder nicht stark genug ist? Warum ist für sie das menschliche Leben kein unantastbarer, absoluter Wert? Welche Faktoren - regional, historisch, sozial oder ideell - tragen zur Entstehung solcher Einstellungen bei? Wir müssen die Sprachlosigkeit überwinden. Wir müssen versuchen, das Unfassbare zu erfassen, das Unerklärbare zu erklären, das Unverständliche zu verstehen. Wir sind uns das schuldig, weil wir menschliche Wesen sind.
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