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Südwest Presse: LEITARTIKELzu Armutsbericht, Ausgabe vom 20.05.2008

Geschrieben am 19-05-2008

Ulm (ots) - Südwest Presse Ulm, LEITARTIKELzu ARMUTSBERICHT,
Ausgabe vom 20.05.2008

Armut nimmt in Deutschland ebenso zu wie Reichtum. Die Schere geht
immer weiter auseinander. So unerfreulich diese Entwicklung ist - neu
ist sie nicht, im Gegenteil: Schon seit Wochen wird über das
Schrumpfen des Mittelstands geklagt. Der Armuts- und Reichtumsbericht
der Bundesregierung fasst nur zusammen und stellt auf eine
einheitliche Datengrundlage, was die politische Diskussion schon
länger bestimmt.
Jeder Achte in Deutschland gilt als arm oder genauer gesagt
armutsgefährdet, weil er als Alleinlebender weniger als 781 Euro im
Monat netto hat; für Familien ist der Betrag höher. Jeder Arme ist
einer zu viel. Doch ist die Zahl eine Momentaufnahme für das Jahr
2005. Seither erleben wir einen erfreulichen Wirtschaftsaufschwung
mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit. Daher sollte sich
die Lage verbessert haben, auch wenn es dafür noch keine
statistischen Daten gibt.
Wer aus dem Bericht ein Versagen des Sozialstaates ableiten will, hat
den Bericht nicht richtig gelesen oder er will die Fakten nicht zur
Kenntnis nehmen. Denn durch die zahlreichen staatlichen Leistungen
vom Arbeitslosengeld II über Wohn- bis zum Kindergeld wird der Anteil
der Armen halbiert - eine gewaltige Leistung, mit der Deutschland im
Vergleich zu anderen EU-Staaten gut dasteht. Das sollte mehr
gewürdigt werden. Das ist der Beitrag, den die Steuerzahler
schultern. Eine befriedigende Lösung für alle Bürger wird es nie
geben - sie wäre unbezahlbar.
Erschreckend ist, wie manche jetzt mit scheinbar einfachen
Schlussfolgerungen Stimmung machen. Aus der SPD und der Linken ertönt
der Ruf nach Steuererhöhungen für "die Reichen". Als ob Sozialneid
gut wäre für die deutsche Gesellschaft, ihren Zusammenhalt gar
stärken würde. Auch die Forderung nach einem generellen Mindestlohn
ist zu einfach, weil sie eine zentrale Frage nicht beantwortet: Was
ist, wenn dafür keine Arbeitsplätze angeboten werden? Wobei es
zweifellos ein Problem ist, dass mancher Arbeitgeber mittlerweile
staatliche Zuschüsse für Geringverdiener bereits einkalkuliert.
Besonders absurd ist die Forderung von FDP und CSU nach
Steuersenkungen. Wer arm ist, zahlt gar keine Steuern. Er hätte etwa
von der Wiedereinführung der Pendlerpauschale nichts, höchstens der
Mittelstand. Zudem wollen die Sozialleistungen bezahlt sein, und
dafür braucht der Staat Einnahmen. Steuersenkungen sind ein Thema -
aber nicht in diesem Zusammenhang.
Die zentrale Schlussfolgerung aus dem Armutsbericht ist nicht, dass
die Sozialleistungen dramatisch verbessert werden müssen. Da ist
schon einiges geschehen. Vielmehr brauchen die Problemgruppen mehr
Hilfen: Zum Ersten benötigen die Langzeitarbeitslosen rasch
Arbeitsplätze, um selbst ihr Geld zu verdienen. Dafür ist eine gut
laufende Wirtschaft wichtig. Zum Zweiten haben Familien Hilfe nötig,
damit Kinder kein so großes Armutsrisiko mehr sind wie derzeit.
Dagegen hilft nicht nur mehr direkte Unterstützung, sondern auch
Kinderbetreuung, damit gerade Alleinerziehende einen Job annehmen
können. Zum Dritten brauchen alle Schulabgänger nicht nur einen
Abschluss, sondern auch eine Berufsausbildung. Dass da unser
Bildungssystem versagt, wurde viel zu lange unter den Teppich
gekehrt. Änderungen sind mühsam und langwierig, doch der einzig
sinnvolle Weg.
Der Bericht ist nicht nur eine Aufforderung, nicht nach einfachen
Lösungen zu greifen. Er ist auch eine Mahnung an die Reichen, selbst
wenn sich darüber streiten lässt, ob ein Alleinstehender mit 3418
Euro netto schon dazugehört: Wenn sich die Schere zwischen Arm und
Reich weiter öffnet, vergiftet dies das soziale Klima im Land. Daran
kann gerade ihnen nicht gelegen sein.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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