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LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Debatte um Gregor Gysi

Geschrieben am 28-05-2008

Leipzig (ots) - Ach, Gregor Gysi hätte es so einfach haben können.
Wäre er nur beizeiten vor den Bundestag getreten, um "Ich liebe euch
doch alle!" zu rufen. Sich - wie einst Mielke - zu bekennen, damit
hätte der Liebling aller Linken vor anderthalb Jahrzehnten einen Coup
gelandet. Selbst im Falle seiner Unschuld. Warum hat der begnadete
Redner nicht eine reuige Ansprache über die Sache des Sozialismus
gehalten, für die er - schluchz, schluchz - bereit gewesen wäre, der
Staatssicherheit zu helfen? Die SED-Nachfolgepartei verzeiht derlei
mit Freuden. Und für ihre Gegner wäre ein beschämter Gysi weit
schwerer zu treffen als jener kaltblütige Polit-Profi, der sich
wieder und wieder ins Dauerfeuer stellt und alle ihn belastenden
Fakten beiseite schiebt.

Gestern gab er im Bundestag erneut eine vortreffliche Zielscheibe
ab. Er seinerseits attackiert nun mit juristischen Mitteln das ZDF,
weil Marianne Birthler ihn dort der IM-Tätigkeit bezichtigt hat. Und
vor Gericht hat Gysi beste Chancen. Die demokratische Justiz ist mit
ihren rechtsstaatlichen Maßstäben nicht in der Lage, das Unrecht
einer Diktatur angemessen zu bewerten. Kein einziger
Spitzenfunktionär wurde nach 1990 für seinen Beitrag zu alltäglicher
Unterdrückung bestraft. Der Versuch, zumindest das Mauer-Morden zu
ahnden, endete mit erschreckend milden Urteilen. Und für die
schwierige Interpretation von Stasi-Akten sind Juristen so
qualifiziert wie eine Gymnastin fürs Hammerwerfen.

Bei der moralischen Bewertung spielt es in Wahrheit kaum eine
Rolle, ob Gysi nun offiziell ein inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war,
oder ob er den Repressionsapparat des SED-Staates auf andere Weise
fütterte. Im aktuellen Streit geht es um einen Stasi-Bericht über
Regimekritiker Havemann, als dessen Anwalt Gysi wirkte. Er habe, so
behauptet der heutige Politiker, nicht der Staatssicherheit
berichtet, sondern mit der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED
über den Fall gesprochen. Die Rechtfertigung zeigt, auf welchen
Irrweg die Diskussion um die SED und ihr wichtigstes Machtorgan
geraten ist. Die Staatssicherheit, Schild und Schwert der Partei,
gilt zu Recht als Dämon. Die SED hingegen schlüpfte nach wiederholter
Umbenennung in die Rolle eines scheinbar integren Streiters für
kleine Leute. Das kommt nicht von Ungefähr.

Ex-SED-Funktionär Berghofer berichtete 2007 in einem Buch von
einem Krisentreffen Ende 1989, als der SED der Untergang drohte.
Genosse Modrow habe den Plan entwickelt, die Schuld auf die Stasi
abzuschieben, um die Partei zu retten. Modrow bestreitet das zwar,
nahm die Veröffentlichung jedoch hin. Gysi hingegen zog wegen der
Behauptung, er habe am Gespräch teilgenommen, mal wieder vor den
Kadi. Nun ist sein Name geschwärzt. Den Ruf eines Anschwärzers aber
wird er so nicht los.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/2181 1558


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