CARE fordert "Anfang vom Ende des ewigen Hungers" - Scharrenbroich: "Es geht um fairen, nicht um freien Handel" - Vorstellung Jahresbericht 2007
Geschrieben am 03-06-2008 |
Bonn (ots) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, anbei finden die Statements des CARE-Vorsitzeden Heribert Scharrenbroich und des Hauptgeschäftsführers Dr. Wolfgang Jamann anlässlich der heutigen Vorstellung des Jahresberichtes 2007. Heribert Scharrenbroich nahm u.a. zur UNO-Ernährungskonferenz in Rom und Dr. Jamann zum Jahresbericht sowie zur aktuellen Lage in Birma Stellung.
STATEMENT HERIBERT SCHARRENBROICH
Bei der heute in Rom beginnenden UNO-Konferenz wird erneut vom "neuen Hunger" gesprochen. Dieser Begriff ist irreführend und lenkt von der Schande ab, dass die Weltgemeinschaft im Kampf gegen die Hungerkatastrophe versagt. Der Hunger in den ärmsten Ländern der Erde existiert schon lange. 1974 verpflichtete man sich auf einer Welternährungskonferenz, den Hunger binnen 10 Jahren auszurotten. Auf dem Welternährungsgipfel 1996 beschloss man bis 2015 den Hunger zu halbieren. Und jetzt geht man davon aus, dass auch dieses Minimalziel nicht erreicht wird. Es darf bei dieser Konferenz nicht erneut vor allem um die richtigen Worte in der Abschlusserklärung gehen. Es geht um einen Neubeginn, um nichts Weniger. Es muss darum gehen, den Anfang vom Ende des ewigen Hungers zu finden. Obwohl das Problem sehr komplex ist, so gibt es doch einige wenige entscheidende Korrekturen, ohne die es uns nicht gelingen kann, dieser Plage Herr zu werden. Die humanitären Hilfen vieler Nichtregierungsorganisationen lindern Not, retten viele Menschen vor einem grausamen Tod. Aber der Kampf gegen den Hunger bleibt ein Kampf der NGOs gegen Windmühlen, wenn die einzelnen Industrieländer und viele Entwicklungsländer, die regionalen Staatenbünde und die Weltorganisationen ( wie UNO, WTO, Weltbank und WTO ) nicht endlich eine konsequente Politik zur Bekämpfung der Armut zulassen. Die Weltorganisationen können nur so gut sein, wie ihre Mitglieder es zu lassen. Staaten, die das verhindert, treten dass Menschenrecht auf Ernährung mit Füßen. Auch eine Verletzung dieses Menschenrechtes ist ein Verbrechen. Ich erneuere die Forderung nach einer konsequenten Strategie bei der Bekämpfung des Hungers bei gleichzeitig verantwortlicher Handelspolitik vor allem gegenüber den ärmsten Ländern. Nur bei systematischer Förderung kleinbäuerlicher Betrieben, substantiellem Ausbau von Bildung sowie gezielter Unterstützung durch erneuerbare Energien in den armen Ländern ist ein Paradigmenwechsel zu erreichen. Mit diesem Dreiklang muss in Rom begonnen werden. Ansonsten wird eine Chance vertan werden und wieder lediglich an einem einzelnen Symptom der Armut herumgeschustert.
Fairer, nicht freier Welthandel
Es bleibt unmoralisch, einerseits Exporte der reichen Staaten zu subventionieren und gleichzeitig die armen Länder daran zu hindern, ihre Güter in unsere Länder zu verkaufen. Die Verantwortung für die Hungerkatastrophe tragen also vor allem die Industrieländer, wenn es um den viel beschworenen "freien Welthandel" geht. Die von den reichen Ländern maßgeblich finanzierten Institutionen wie Weltbank, IWF und WTO müssen radikal umschwenken. Es geht um fairen Handel und nicht um einen ungezügelten, freien Welthandel. Niemand wird ernsthaft von den Entwicklungsländern erwarten, ihre Tore zu öffnen, ohne gleichzeitig selbst bereit zu sein, Waren aus deren Ländern zu importieren. Die Schutzzölle und Exportsubventionen der Nordländer müssen fallen, Schutzzölle der Südländer müssen in Einzelfällen und zeitlich begrenzt erlaubt sein.
Kleinbauern systematisch und langfristig fördern
Es ist nachgerade abstrus, Getreide aus reichen Ländern in die "Dritte Welt" zu verschiffen, wodurch hunderttausendfach die Existenzen der Kleinbauern zerstört wurden. Wenn jetzt das WFP, mit dem CARE in vielen Ländern gut zusammenarbeitet, viele Menschen vor dem Hungertod retten soll, muss man genau hinsehen, welche Art von Hilfe angeboten wird. Sachhilfe in Form von Getreide darf nur noch dann akzeptiert werden, wenn dieses in den betroffenen Regionen nicht gekauft werden kann. Das muss auch für die USA gelten. Die Amerikaner müssen gehalten werden, die Kaufkraft des Welternährungsprogramms durch Finanzzuweisungen zu stärken, wie das die Europäischen Länder und die EU schon seit langem tun. CARE Deutschland-Luxemburg fordert die Bundesregierung auf, auch in Rom eine Initiative zur Vermeidung von Hunger zu beginnen, die bisher nicht erkennbar ist. Dazu gehört für uns unter anderem, Kleinbauern und ihre Betriebe in den ärmsten Ländern der Erde systematisch zu fördern auch über längere Zeiträume. Nur so kann das Ziel "Hilfe zur Selbsthilfe" auch erreicht werden.
Kriege und Unterdrückung nicht zulassen
Der Hungertod heute von tausenden von Menschen in Darfur, Tschad, Simbabwe und anderen Ländern Afrikas und Asiens hat einen Namen: Krieg oder Unterdrückung durch Potentaten die sich gewissenlos bereichern. Hunger ist also nicht nur durch die Industriestaaten verursacht. - Und die Welt handelt nicht. Es muss ein Interventionsrecht gegen massenhafte Verstöße gegen Menschenrechte geschaffen werden, dass durch kein Vetorecht der Verbündeten und kein Souveränitätsrecht behindert werden darf. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen muss das Recht bekommen, mit qualifizierter Mehrheit Interventionen, gegen solche Verbrechen zu beschließen. Klimawandel entgegentreten und präventiven Schutz organisieren Industriestaaten und Schwellenländer, die eine Reduzierung der Treibhausgase behindern, müssen für die daraus entstehenden Hungersnöte und Verarmung verantwortlich gemacht werden. Konferenzen und Gipfel, die sich davor drücken, sind heuchlerische Veranstaltungen und ihr Geld nicht wert. Das gilt auch für die jetzt in Rom stattfindende Welternährungskonferenz.
Bis das Palaver durch konsequente Politik ersetzt ist und weil der Klimawandel allenfalls langfristig beeinflusst werden kann, muss die Entwicklungszusammenarbeit für betroffene Regionen und ihre Menschen Schutzmassnahmen jetzt organisieren. Das geht von der Anlage von Getreidebanken über den Bau von Schutzräumen und Warnsystem bis hin zum Anbau von schützenden Mangrovenwäldern - Maßnahmen, die von CARE gefördert werden, aber in viel größerem Umfang notwendig wären.
STATEMENT DR. WOLFGANG JAMANN
1. CARE Deutschland-Luxemburg freut sich, Ihnen heute die Bilanz unserer Arbeit im Jahre 2007 vorzustellen, dies geschieht in Form des alljährlichen Jahresberichtes, der auch in diesem Jahr streng an den Transparenzkriterien der internationalen Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers orientiert ist. Für unseren vorbildlichen Umgang mit Spendengeldern wurden wir im vergangenen Jahr von PwC mit dem Transparenzpreis ausgezeichnet.
2. Die wesentlichen Kennziffern entnehmen Sie dem beigefügten Factsheet. Wir stellen im Jahresbericht aber nicht nur unsere Einnahme- und Ausgabezahlen dar, sondern erläutern anhand von Projektbeispielen, wie wir unsere Schwerpunkte Nothilfe, Armutsbekämpfung und entwicklungspolitische Anwaltschaftsarbeit in konkreten Projekten umsetzen. So versuchen wir, zur Erreichung der international verbindlichen Millenniumsziele zur Halbierung der Armut bis 2015 beizutragen.
3. Außerdem geben wir genauen Einblick in unsere Organisationsstruktur und Unterstützerbasis, in unsere langfristigen Strategien und Abläufe und stellen auch dar, was wir tun, wenn einmal etwas in unseren Projekten schiefgeht (auf den Seiten 16 bis 19 wird die Einhaltung von Qualitätsstandards detailliert beschrieben).
4. CARE hat im letzten Jahr 123 Projekte durchgeführt und über 15 Millionen Euro Fördermittel direkt in der Arbeit vor Ort umgesetzt. Gestiegenen Einnahmen von ca. 1 Millionen Euro stehen erhöhte Projektausgaben von knapp 4 Millionen Euro entgegen. Dies ist vor allem mit der Umsetzung der Tsunami Spenden in mittelfristigen Wiederaufbau Programmen begründet.
5. Wir haben die Verwaltungskosten auf 4,8% senken können und Spenden im Vergleich zum Vorjahr halten können - durch unser transparentes Arbeiten konnten wir das Vertrauen der Spender auch in diesem Jahr gewinnen. Dies zeigt sich u.a. in einer gestiegenen Anzahl an Dauerspendern und zunehmenden Kooperationen mit Unternehmen.
6. Allein in 2007 gab es 15 Nothilfe-Einsätze, die im Zeichen des zunehmenden Klimawandels standen. Neben Bangladesch sind hier auch Vietnam und Mosambik herausragend zu nennen (Siehe S. 8f und 12f). Diese Katastrophen treffen insbesondere die Ärmsten der Armen in zunehmendem Maße. CARE sieht sich somit verpflichtet, bei der Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen des Klimawandels zu richten. CARE reagiert auf diese Entwicklung, indem wir unsere Anstrengungen im Bereich der Katastrophenprävention und Nothilfe ausbauen. Hier sehen wir im internationalen Verbund besondere Möglichkeiten und Notwendigkeiten durch: * die Vorbeugung und Milderung der Auswirkungen von Naturkatastrophen sowie * den Einsatz von erneuerbaren Energien bzw. der schonenden Nutzung natürlicher Ressourcen in unseren Projekten. Schon seit Jahren widmet CARE International den Umweltaspekten in seinen Projekten besondere Aufmerksamkeit, und CARE Deutschland bringt deutsches Expertenwissen sowie angepasste Technologien in die Arbeit ein.
7. Wie wichtig eine Kombination von langfristiger Entwicklungsarbeit, schneller Nothilfe und politischer Anwaltschaftsarbeit ist, sehen wir derzeit bei der Bewältigung der Katastrophe in Birma. Hier arbeitet CARE seit über 14 Jahren mit 500 Mitarbeitern an der Verbesserung der sozialen und ökonomischen Situation großer Bevölkerungsgruppen. Auch wenn die Hilfe für die Opfer des Zyklons Nargis immer wieder vor logistische und politische Schwierigkeiten gestellt wird, so gelingt es uns doch, aufbauend auf unsere langjährige Erfahrung vor Ort, angepasste Überlebens- und Aufbauhilfe zu leisten. Wir haben bislang 120.000 Menschen erreicht und werden in den kommenden Monaten für doppelt so viele Menschen langfristige Perspektiven schaffen.
8. Auch chronische humanitäre Krisen, wie jene in Darfur, stellen die Entwicklungshilfe immer wieder vor neue Probleme. CARE versucht auch unter schwierigsten politischen und logistischen Bedingungen, den Menschen in den Flüchtlingslagern von Al Salaam, Kalma und Otash Hilfe und damit Hoffnung zu geben. Wie CARE in Darfur hilft, können Sie auf Seite 7 nachlesen.
9. Last but not least versuchen wir durchgängig, die Förderung von Frauen, von marginalisierten und sozial benachteiligten Gruppen ins Zentrum unserer Arbeit zu stellen. Armut ist weiblich, und mangelhafte Lebenschancen selbst in randständigen Gebieten in Subsahara-Afrika sind in einer aufgeklärten Welt des globalen Wandels nicht mehr hinnehmbar. Für uns haben Frauen weltweit das größte Potenzial, soziale und materielle Missstände zu beheben. Sie ernähren ihre Familien, sorgen für Gesundheit und Hygiene, sind zuverlässige Sparer und investieren in Bildung, wenn man sie lässt. Leider gehen die internationalen Entwicklungsbestrebungen in weiten Teilen an diesen Realitäten vorbei.
Originaltext: CARE Deutschland-Luxemburg e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6745 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6745.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: CARE Deutschland-Luxemburg e.V. Thomas Schwarz Telefon: 0228 / 975 63 23 Mobil: 0160 / 745 93 61 E-Mail: schwarz@care.de
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