Von der ersten deutschen Bundesflotte zur Deutschen Marine
Geschrieben am 05-06-2008 |
Glücksburg (ots) - Autoren: Flottillenadmiral Jürgen Mannhardt, Korvettenkapitän Rüdiger Schiel, Kapitänleutnant der Reserve Dr. Jann Markus Witt
Im Jahre 2008 jährt sich zum 160. Mal die Gründung der ersten deutschen Flotte. Bis in das 19. Jahrhundert hinein gab es keine gesamtdeutschen Seestreitkräfte. Erst im Jahre 1848 wurde der Versuch unternommen, mit der so genannten "Bundesflotte" eine deutsche Marine aufzubauen. Als gesamtdeutsche, vom Parlament kontrollierte, unter der Flagge Schwarz-Rot-Gold segelnde, von vornherein als bündnisfähig angelegte Marine, wies die Konzeption der ersten deutschen Flotte weit in die Zukunft. Sie besitzt damit viele Parallelen zur heutigen Deutschen Marine, die sich aus diesem Grund in der Tradition der Bundesflotte von 1848 sieht. Seit 1998 wird alljährlich der 14. Juni in Erinnerung an den Beschluss des Frankfurter Paulskirchenparlaments zur Aufstellung der Bundesflotte als Marinegeburtstag begangen.
Warum eine deutsche Flotte?
Hintergrund für die Gründung der Bundesflotte war das Revolutionsjahr 1848. Die von Paris ausgehende Revolutionsbewegung hatte nicht nur zur Erhebung der bürgerlich-demokratischen und nationalen Kräfte gegen die monarchisch-konservativen Regierungen im Deutschen Bund geführt, sondern auch den seit langem schwelenden Konflikt zwischen den nationalen Bewegungen Dänemarks und Schleswig-Holsteins zum offenen Ausbruch gebracht. Gleich nach dem Beginn des Krieges in Schleswig-Holstein nahm die dänische Flotte die Blockade der beiden Elb- Herzogtümer und später, nach der Kriegserklärung des Deutschen Bundes gegenüber Dänemark, auch die der übrigen deutschen Küsten auf. Der schutzlose deutsche Seehandel kam dadurch fast völlig zum Erliegen, denn von den Staaten des Deutschen Bundes besaß nur Österreich hochseetüchtige Kriegsschiffe, die jedoch fernab in der Adria stationiert waren. Diese Demütigung ließ den Ruf nach einer deutschen Marine laut werden, der sich zu einer wahren Flottenbegeisterung steigern sollte. So schrieb die "Hallesche Zeitung" am 28. Mai 1848: "Denn was ist Deutschland ohne Flotte? Ein armer, alter, schwacher Mann, den Dänemark mit zwanzig Schiffen verderben, hungern lassen kann."
Die Gründung der deutschen Bundesflotte
Am 14. Juni 1848 legte die in der Frankfurter Paulskirche tagende Nationalversammlung, das erste frei gewählte deutsche Parlament, den Grundstein zur Schaffung der ersten deutschen Flotte. Später übertrug die neu gebildete Reichsregierung dem Handelsminister, dem Bremer Senator Arnold Duckwitz, einem energischen Marinebefürworter, die Leitung der Flotte. Eine seiner ersten und wichtigsten Maßnahmen war die Einberufung einer technischen Marinekommission unter der Leitung Prinz Adalberts von Preußen, eines ausgewiesenen Marinefachmanns. Dem Ausschuss gehörte auch Karl Rudolf Bromme, genannt "Brommy", an, der mehr als zwanzig Jahre lang als Offizier in der griechischen Marine gedient hatte und wenig später erster und einziger Oberbefehlshaber der Bundesflotte werden sollte.
Prinz Adalberts Denkschrift von 1848
In seiner bis heute viel beachteten "Denkschrift über die Bildung einer deutschen Flotte" skizzierte Prinz Adalbert 1848 drei verschiedene Flottenmodelle: Zum ersten eine rein defensive Küstenverteidigungsmarine, zum zweiten eine für eine offensive Verteidigung und zum Schutz des Seehandels ausgelegte Marine und zum dritten eine selbstständige Seemacht nach britischem oder französischem Vorbild. Prinz Adalbert selber trat für die zweite Lösung ein, da sie zum einen die großen Seemächte nicht provozieren, die deutsche Marine gleichwohl aber zum geeigneten Bündnispartner für diese machen würde. An diese Konzeption knüpft auch die Traditionsanbindung der heutigen Deutschen Marine an. Als wichtigste Bezugspunkte zwischen Bundesflotte und der Marine der Bundesrepublik Deutschland gelten dabei die Merkmale: schwarz-rot-goldene Flagge - gesamtdeutsch - vom Parlament kontrolliert - bündnisfähig.
Die Bundesflotte
Trotz aller Widrigkeiten nahm der Aufbau der Bundesflotte nun allmählich konkrete Formen an und erreichte schließlich eine Gesamtstärke von 27 kleinen Ruderkanonenbooten und zwölf größeren Kriegsschiffen, von denen die überwiegende Zahl Dampfschiffe waren. Technisch verwies die Bundesflotte damit weit in die Zukunft. Allerdings blieb die erste deutsche Marine mit Ausnahme des Gefechts vor Helgoland am 4. Juni 1849 aus außenpolitischen Erwägungen zur Untätigkeit verdammt. Zudem verblieben die preußischen Seestreitkräfte aufgrund der Spannungen mit der Frankfurter Zentralgewalt unter preußischem Befehl. Am 2. April 1852 beschloss der Deutsche Bundestag, der nach dem Ende der Frankfurter Zentralgewalt die Verfügung über die Marine übernommen hatte, die Auflösung der von den Konservativen als "März-Errungenschaft" misstrauisch beäugten Bundesflotte. Die Offiziere, darunter auch der Oberbefehlshaber, Konteradmiral Rudolf Bromme, wurden entlassen, die Schiffe und Ausrüstung versteigert. Der erste deutsche Admiral starb am 9. Januar 1860 in St. Magnus bei Bremen und fand seine letzte Ruhe auf dem Friedhof von Hammelwarden bei Brake.
Von der Bundesflotte zur Bundesmarine
Die Entstehung der Bundesflotte im Revolutionsjahr 1848 war Ausdruck einer nationalen Begeisterung gewesen. Demgegenüber erfolgte die Gründung der Marine der Bundesrepublik Deutschland 108 Jahre später unter völlig anderen Voraussetzungen - auch wenn beide Marinen unter der Flagge Schwarz-Rot-Gold fahren. Die infolge des Ost-West-Konfliktes angespannte politische und strategische Lage in Europa hatte die westlichen Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich im Jahre 1955, nur zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs, ungeachtet aller Bedenken im In- und Ausland gegen eine deutsche Wiederbewaffnung bewogen, die Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungsbündnis einzubeziehen. Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Kalten Krieges hatten sich die westeuropäischen Staaten und Kanada unter der Führung der USA 1949 zur "North Atlantic Treaty Organisation", kurz NATO, zusammengeschlossen. Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO bedeutete ein Novum in der deutschen Militärgeschichte, denn zum ersten Mal wurden die unter der parlamentarischen Kontrolle des Bundestages stehenden deutschen Streitkräfte tatsächlich fest in ein übernationales Bündnissystem integriert. Damit folgte man bei der Gründung der Marine der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1956 gleichsam der Marinekonzeption, die Prinz Adalbert im Revolutionsjahr 1848 in seiner Denkschrift skizziert hatte: Eine im Bündnis mit anderen Mächten verankerte und durch das Parlament kontrollierte deutsche Marine...
Was bedeutet die Bundesflotte heute?
Wie gezeigt, gibt es zahlreiche Parallelen zwischen der Bundesflotte von 1848 und der heutigen Marine der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den beiden Marinen. Die Bundesflotte blieb Zeit ihres Bestehens ein 'Torso'. Die heutige Deutsche Marine dagegen existiert seit mehr als 50 Jahren und leistet seither bewährt, effektiv und zuverlässig ihren unverzichtbaren streitkräftegemeinsamen und multinationalen Verteidigungsbeitrag. Sie ist die am längsten bestehende und - gemessen an ihrem Kernauftrag, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen - die erfolgreichste Marine unserer Geschichte. Die Marine der Bundesrepublik Deutschland basiert auf den Idealen von 1848 - und geht darüber hinaus: Seit ihrer Gründung im Jahre 1956 hat sie ihre eigene Geschichte geschrieben, die auf den Werten und Normen beruht, die der freiheitlich-demokratischen Ordnung unseres Staatswesens zugrunde liegen. Die heutige Deutsche Marine ist deshalb im besten Sinne des Wortes vorbildlich und bildet eine Tradition aus eigenem Recht, die ihre Grundlage in den Idealen der Revolution von 1848 findet.
Originaltext: Presse- und Informationszentrum Marine Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/67428 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_67428.rss2
Pressekontakt: Presse- und Informationszentrum Marine Presseoffizier Katja Messinger Telefon: 04631-6664412 piz@marine.de
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