Depressiv und aus dem Takt: Therapieoptionen für die innere Uhr heute und in Zukunft / Regulation der zirkadianen Rhythmik ist wesentlich für die Depressions-Therapie

München (ots) - Depression und gestörte zirkadiane Rhythmik treten
häufig gemeinsam auf und bilden eine Art sich gegenseitig bedingenden
Teufelskreis. In der Therapie der Depression wird der Behandlung der
gestörten inneren Uhr mit all ihren Folgeerscheinungen wie etwa dem
gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus oft nicht die nötige Aufmerksamkeit
zuteil. Zudem wirken sich einige der verbreiteten Antidepressiva
kontraproduktiv auf die Schlafarchitektur der Patienten aus und
verstärken so den Teufelskreis zusätzlich. Ende 2008 wird die
Zulassung eines vielversprechenden Wirkstoffes erwartet, der einen
effektiven Ausweg aus dieser Problematik bieten kann.

121 Millionen Menschen leiden laut WHO weltweit an Depressionen.
Etwa 97 Millionen davon schlafen auch noch schlecht. So verwundert es
nicht, dass Depression und Schlafstörungen eng miteinander verbunden
sind. Reynolds et al. zeigten bereits 1997, dass bei guter
Schlafqualität Remitter signifikant weniger Rezidive erleiden als
Patienten mit schlechter Schlafqualität [1]. Ein weiteres Indiz
dafür, dass es im Gehirn eine komplexe und wechselseitige
Beeinflussung von Schlaf-Wach-Rhythmus und Stimmungslage geben muss
und dass es von wesentlicher Bedeutung ist, der Regulation der
zirkadianen Rhythmik und des Schlafs in der Therapie der Depression
einen entscheidenden Stellenwert einzuräumen. Fast alle Depressiven
leiden unter Durchschlafstörungen. Bei etwa jedem zweiten stellen die
Schlafforscher zudem eine Verminderung des Tiefschlafanteils fest.
Zwischen 10 und 20 Prozent leiden unter einer Hypersomnie, also einem
übermäßigen Schlafbedürfnis. Die Schlafprobleme unterscheiden sich
zum Teil auch abhängig von der Form der Depression. So treten zum
Beispiel bei bipolaren Störungen im Vergleich zu unipolaren verstärkt
Hypersomnie und Insomnie auf. Eine saisonale Depression geht häufiger
mit Hypersomnie einher als eine nicht saisonale, tritt dafür aber
fast nie mit Insomnie auf. Therapeutische Alternativansätze gibt es.
Eine Lichttherapie zum Beispiel wirkt länger und ist Mittel der Wahl
bei saisonabhängigen Depressionen (Winterdepression). Orales
Melatonin wirkt zwar schlaffördernd, besitzt aber keine
antidepressive Wirkung [2]. Konventionelle Antidepressiva haben keine
konsistenten Effekte auf das Schlafmuster. Der Schlaf verbessert
sich, wenn überhaupt, oft erst einige Wochen nach Therapiebeginn.
Wirkstoffe wie Bupropion, Fluoxetin und Reboxetin führen häufig zu
Schlafstörungen und Agitation [3]. Signifikant sind diese
Nebenwirkungen auch bei Duloxetin, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin
und Venlafaxin festzustellen. Mirtazapin fördert den Schlaf, kann
aber zu Benommenheit und Tagesmüdigkeit führen. In der medikamentösen
Therapie sind Antidepressiva, die gleichzeitig positiv auf die
Stimmung und den gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus wirken, ein viel
versprechender Ansatz zur Behandlung von Major-Depressionen. Eine
neue Strategie könnte in Zukunft Agomelatin sein. Der
Melatoninagonist und 5HT2C-Antagonist [4] besitzt ausgezeichnete
antidepressive Eigenschaften und resynchronisiert die gestörte
zirkadiane Rhythmik [5, 6]. Verschiedene Studien zeigen im Vergleich
zu anderen antidepressiven Wirkstoffen bei gleicher Wirksamkeit
deutliche Verbesserungen in Schlafrhythmus, -dauer und -qualität. So
führt Agomelatin im Vergleich zu Venlafaxin zu leichterem Einschlafen
und besserer Schlafqualität [7, 8]. Auch die antidepressive
Wirksamkeit von Agomelatin wurde erneut in dieser Studie bestätigt.
Agomelatin und Venlafaxin zeigten eine vergleichbare Wirkung auf die
depressive Symptomatik.

Wirkstoff/-klasse Schlafstörung Sedation
Trizyklika - +
SSRI + -
SNRI + +
Agomelatin - -

Tabelle: Nebenwirkungsprofil Schlaf/ Sedation nach Bauer M. et al.
2002, World J Biol Psych [9]

Referenzen:

1. Reynolds CF 3rd et al. (1997) Which elderly patients with
remitted depression remain well with continued interpersonal
psychotherapy after discontinuation of antidepressant
medication? Am J Psychiatry. 154 (7): 958-962
2. Dolberg OT et al. (1998) Melatonin for the treatment of sleep
disturbances in major depressive disorder. Am J Psychiatry.
155 (8): 1119-1121
3. Laux G und Möller HJ, Memorix Psychiatrie-Psychotherapie,
Thieme 2007
4. Millan, MJ et al. (2003) The novel melatonin agonist
agomelatine (S20098) is an antagonist at
5-hydroxytryptamine2C receptors, blockade of which enhances
the activity of frontocortical dopaminergic and adrenergic
pathways. J Pharmacol Exp Ther. 306 (3): 954-964
5. Lôo, H, Hal, A and D`haenen, H. (2002) Determination of the
dose of agomelatine, a melatoninergic agonist and selective
5HT2C-antagonist, in the treatment of major depressive
disorder: a placebo-controlled dose-range study. Int Clin
Psychopharmacol. 17, 239-247
6. Olie JP and Kasper, S. (2007) Efficacy of agomelatine, a
MT1/MT2 receptor agonist with 5-HT2C antagonistic properties,
in major depressive disorder. Int J Neuropsychopharmacol. 10
(5):661-673
7. Guilleminault, C. (2005) Efficacy of the new antidepressant
agomelatine versus venlafaxine on subjective sleep of
patients with Major Depressive Disorder. Eur
Neuropsychopharm. Vol 15 Suppl 3: S419
8. Lemoine P, Guilleminault C, Alvarez E. (2007) Improvement in
subjective sleep in major depressive disorder with a novel
antidepressant, agomelatine: randomized, double-blind
comparison with venlafaxine. J Clin Psychiatry.
68(11):1723-32
9. Bauer M et al. (2002) World Federation of Societies of
Biological Psychiatry (WFSBP) Guidelines for Biological
Treatment of Unipolar Depressive Disorders, Part1 an 2. World
J Biol Psychiatry. 3 (1): 5-43 und 3 (2): 69-86

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