Allg. Zeitung Mainz: Das Menschliche (Kommentar zu Krebsregister)
Geschrieben am 16-06-2008 |
Mainz (ots) - Ein bisschen ist es wie mit Testament oder Patientenverfügung. Der Kopf sagt: Ja, mach das, es ist vernünftig und notwendig! Aber der Bauch hat Angst, fühlt sich zumindest unbehaglich. So kommt es, dass nicht einmal jede zweite Frau und nur jeder fünfte Mann die von Krankenkassen angebotenen Krebs-Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen. Letztere Zahl führt einmal mehr die Legende vom angeblich starken Geschlecht ad absurdum und ist erschreckend. Das bedeutet: Nicht nur die Sache an sich, die medizinische Vorsorge, muss weiterhin unter beträchtlichem finanziellen Aufwand ausgebaut werden, sondern auch die Aufklärung, die "Werbung" für das Produkt Krebsvorsorge. Vieles hat sich verbessert, doch manches liegt augenscheinlich immer noch im Argen. Wenn es, wie Gesundheitsministerin Schmidt darlegt, immer noch eine beträchtliche Zahl von Fällen gibt, in denen unkoordiniert untersucht wird und nutzlose Medikamente verschrieben werden, dann ist das in erster Linie für den Patienten, letztlich aber auch für die Gemeinschaft der Kassenbeitragszahler eine Katastrophe. Nicht ganz fern liegt da auch der Verdacht, der eine oder andere Mediziner oder Pharmazeut habe in einem Bereich, in dem sehr viel Geld bewegt wird, in erster Linie das eigene Portemonnaie und nicht das Wohl seiner Patienten im Auge. Solche Fälle müssen unnachsichtig geahndet werden. Die moderne Medizin setzt auf Spezialisierung, auf Behandlungszentren. Das ist fachlich mit Sicherheit angemessen. Es birgt allerdings auch die Gefahr, dass sich der Patient in der Anonymität großer Gebäudekomplexe verloren vorkommt und ihm die Apparatemedizin Angst einjagt. Deshalb bleibt, bei aller notwendigen Technisierung, die menschliche Zuwendung vonseiten ärztlicher und pflegerischer Kräfte enorm wichtig für die Genesung. Dass dafür angesichts knappster Budgets immer weniger Zeit bleibt, ist eine vermutlich unumkehrbare, in jedem Fall aber eine traurige Tatsache.
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