LVZ: zur Bilanz des Leipziger Bachfestes Ungenutzte Chancen
Geschrieben am 23-06-2008 |
Leipzig (ots) - Von Peter Korfmacher
Gut 55000 Besucher sind ein Erfolg. Viele gute, einige große, wenige großartige Konzerte sind es auch. Und doch kommt imZusammenhang mit dem Bachfest wieder das ungute Gefühl auf, hier blieben Chancen ungenutzt. Denn bei Lichte betrachtet tritt Leipzigs kulturelles Aushängeschild auf der Stelle. Ein Blick zurück zeigt: Da wäre mehr drin. 2000 waren 72000 Menschen aus aller Welt in Leipzig, die Stadt vibrierte vor Musik. Natürlich war dies das Jahr des 250. Todestags, schaute die Welt auf Bach, also auf Leipzig. Aber damals waren sich alle einig: Das ist der Maßstab. Und finanziell haben Stadt, Land, Bund sich danach gerichtet: Der Etat ist mittlerweile deutlich höher als im Jubiläumsjahr. Was also ist zu tun? An einer Stellschraube dreht Geschäftsführer Dettloff Schwerdtfeger mit einigem Erfolg: Er öffnet das Festival, geht an die Luft, zu den Menschen. Und hätte er mehr Glück mit dem Wetter, die absoluten Zahlen könnten wieder in der Nähe des 2000er-Festivals liegen. Aber derlei Vervolksfestung macht nur Sinn, wenn das Fest auch programmatisch seinen Charakter ändert. Sonst bleiben Veranstaltungen wie das "Bach[fæn]fest" Marketing-Zutat, so aufgesetzt wie ihr Name. So erhellend es sein mag, "Bach und seine Söhne" zu beleuchten, die Menge derMusikfreunde in aller Welt, die angesichts dieses Mottos in freudiger Erregung schweißnasse Finger bekommen, sie ist begrenzt. Und so lange es nicht gelingt, das Bachfest mit dem Gewandhaus kurzzuschließen, Bach mit dem musikalischen Reichtum, den Leipzig im 19. Jahrhundert angehäuft hat, wird sich nichts Grundsätzliches ändern. Natürlich könnte man zufrieden sein mit dem Erreichten. Es ist mehr, als 1999 zu erwarten stand. Aber es ist weniger als möglich. Da nun ist die Stadtspitze gefragt. Denn es ist kein Eingriff in die künstlerische Freiheit von Institutionen, zu erwarten, dass alle sich einbringen, es müsse eine Selbstverständlichkeit sein. Das Gewandhaus aber hat 2008 Programme präsentiert, die auch beim besten Willen nicht ins Bachfest passten. Hätte das einen weiteren, offeneren Charakter, es wäre kein Problem. Dann hätte sich auch Strauss' Ariadne integrieren lassen, wäre vielleicht sogar voll geworden. Im nächsten Jahr feiert auch das Bachfest Mendelssohns 200. Geburtstag. Das Gewandhausorchester ist mit einem"Paulus" unter Herbert Blomstedt dabei. Immerhin. Aber wenn das Festival den Glanz der Stadt bündeln soll, kommt es auf Dauer nicht ohne deren Star aus. Und so lange es nicht gelingt, auch RiccardoChailly ins Boot zu holen, der mehrfach bewiesen hat, dass er zu Bach Wesentliches zu sagen hat, wird es nichts mit dem Quantensprung. So lange ist es eigentlich egal, ob das Wetter die Verantwortung trägt für 55000 oder 60000 Besucher.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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