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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Fußballspiel Türkei - Deutschland

Geschrieben am 24-06-2008

Bielefeld (ots) - Kopftuchstreit, drohendes Verbot der
islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, neue Kämpfe mit
kurdischen Rebellen: Die Türkei müsste sich derzeit wirklich um
andere Dinge sorgen als um den Ausgang des Halbfinales bei der EM
2008 gegen Deutschland. Doch Bern 1954 lässt grüßen: Nicht nur
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (»So wie die Türkei bei der
Europameisterschaft mit farbenfroher Begeisterung aufgetreten ist,
kann sie in der EU positive Effekte haben«) wünscht sich weitere
Wunder in Basel und Wien. Auch seine Landsleute am Bosporus und im
Land des Gegners wollen mit einem Sieg auf dem Rasen beweisen: Wir
sind wer. Oder: Wir sind auch noch da.
Mehr als zwei Millionen Türken leben in Deutschland; damit stellen
die Türken die größte Zuwanderergruppe. Doch nicht überall hat die
Integration so gut funktioniert wie in Duisburg-Marxloh, wo mit 30
der höchste Prozentsatz in der Bundesrepublik ermittelt wurde und
sich kaum ein Deutscher an einer der größten Moscheen des Landes
stört - im Gegenteil.
Dennoch wird sicherlich zu Recht über die mangelnde
Integrationswilligkeit vieler Türken diskutiert, aber »ein
Einwanderungsland wider Willen sollte sich über gelegentlich
widerwillige Einwanderer auch nicht wundern«, meint der renommierte
Migrationsforscher Klaus J. Bade. Schon 1979 warnte der erste
Bundesausländerbeauftragte Heinz Kühn seine Landsleute vor mangelnder
Integrationsförderung. Die wurde erst 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz
zur staatlichen Aufgabe erklärt.
Doch wie groß die Normalität mittlerweile wirklich ist, wird sich
morgen Abend zeigen. Marktschreierische Quertreiber gab es bis
gestern wenige. »Hürriyet« zum Beispiel schrieb am Tag vor dem Spiel:
»Unsere Probleme werden uns gegen die (deutschen) Panzer nicht
behindern.«
Mag auch sein, dass die türkische Nationalmannschaft, wie
Nobelpreisträger Orhan Pamuk behauptet, »eine Maschine zur Produktion
von Nationalismus, Fremdenhass und autoritärem Denken« ist.
Doch die Ansteckungsgefahr am Bazillus Chauvinismus ist bei den
Beteiligten und den Fans äußerst gering. Hamit Altintop betonte, dass
er Deutschland alles verdanke, Jens Lehmann unterstrich seine
Affinität zur Türkei, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hofft,
dass »nicht nur die bessere Mannschaft gewinnen möge, sondern auch
die deutsch-türkische Freundschaft«. Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier (SPD) sprach die Hoffnung aus, dass »keiner den Versuch
unternimmt, eine fröhliche Party zu stören«.
Raki oder Korn, Döner oder Currywurst - egal, was nach dem Ende des
Halbfinales die Sieger den Verlierern auch auf der wiedereröffneten
Fanmeile in Berlin servieren: Es kann ein Fest für den Fußball
werden, aber auch eines für die Integration.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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