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LVZ: zu EM-Halbfinale Deutschland-Türkei Döner oder Currywurst?

Geschrieben am 24-06-2008

Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder

Kein Fußballklassiker, aber ein Spiel mit unterschwelliger
Spannung. Was wird passieren - auf dem Rasen in Basel und auf den
Straßen und Plätzen in Deutschland? Erwartet uns ein gigantisches
deutsch-türkisches Volksfest, oder kommt es zu Ausschreitungen? Wenn
Deutschland im Halbfinale einer Fußball-Europameisterschaft auf die
Türkei trifft, ist das kein Spiel wie jedes andere. Die Brisanz haben
Bundeskanzlerin Merkel und Bundestrainer Löw erkannt: Die eine
wünscht sich ausdrücklich ein faires Spiel, der andere weder
Provokationen noch eine Belastung des deutsch-türkischen
Verhältnisses. Sogar der Boulevard in beiden Ländern rüstet ab und
ruft zu Besonnenheit auf. Das sind vorbildliche Appelle für ein
friedliches Miteinander, aber keine Garantie.
Sportlich sind die Verhältnisse schnell beschrieben: Deutschland ist
gegen die Türken der haushohe Favorit. Aber alles ist möglich im
Fußball, und Favoritensterben ist bislang der rote Faden des
Turniers. Wie Deutsche und Türken mit dem Ergebnis umgehen, wirft ein
Schlaglicht auf den Zustand der beiderseitigen Toleranz.
Ausländerfeindliche Gewaltakte auf der einen Seite oder
deutschenfeindliche auf der anderen wären ein weiterer Rückschlag auf
einem schwierigen Weg. Aber selbst ein friedliches Fußballfest könnte
die Integrationsmängel nicht verdecken. Nach dem Spiel ist vor den
Problemen, die noch längst nicht gelöst sind. Dabei hilft
Schönfärberei nicht weiter, die multikulturelle Gesellschaft ist
weitgehend gescheitert. Am besten funktioniert sie übrigens oft im
Sport. Viele tausend Türken spielen zusammen mit Deutschen
beispielsweise in Fußballmannschaften. Oder an der Imbissbude. Vor
die Frage gestellt, "Döner oder Currywurst", werden viele Deutsche
und Türken antworten: "Mal so, mal so." Bei ehrlicher Analyse sind
solche Gemeinsamkeiten jedoch die Ausnahme.
Neue Integrationsanforderungen müssen gestellt werden. Dass
ausgerechnet viele türkische Organisationen gegen Einwanderungstests
polemisieren, ist kein gutes Zeichen. Die 2,3 Millionen Türken in
Deutschland sind die größte Minderheit, aber nur rund eine halbe
Million von ihnen besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Manche von
ihnen sind kulturell hin- und hergerissen. Viele leben in einer
Parallelwelt mit eigenen Zeitungen und Satellitenfernsehen. Die
wenigsten setzen auf volle Eingliederung, die ihnen dann nicht immer
und überall leicht gemacht wird. So werden die allermeisten Türken in
Deutschland der türkischen Mannschaft die Daumen drücken, und das ist
völlig normal und selbstverständlich. Integration aber ist eine
erheblich größere Herausforderung. Für die braucht man viel mehr
gegenseitigen Respekt und guten Willen, als sich nach einem
Halbfinale nicht zu prügeln.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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