LVZ: Realitätsverlust
Geschrieben am 29-05-2006 |
Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder Wenn Politiker ihr neuestes Flickwerk "Fortentwicklungs-" oder gar "Optimierungsgesetz" nennen, ist Vorsicht geboten: Mit maßgeblicher Beseitigung eines Missstandes ist dann nicht wirklich zu rechnen. Bei den in der großen Koalition heftig umstrittenen Korrekturen der verkorksten Hartz-IV-Gesetze ist genau dies der Fall. Mit der angeblichen Optimierung, wie sie sich Vizekanzler Müntefering vorstellt, wird sich nicht viel ändern: Die sozialdemokratischen Sozialingenieure stemmen sich zum Verdruss ihres eigenen Finanzministers Steinbrück gegen eine spürbare Kürzung des Arbeitslosengeldes II. Sie haben aber keine zündende Idee, wie die Vermittlung von Arbeitslosen in dauerhafte Jobs verbessert werden könnte. So bleibt Hartz IV das, was es ist: Ein skandalöses Eurograb für die steuerzahlende Bevölkerung und ein Demotivierungsprogramm für Arbeitswillige - und Arbeitende. Die Unions-Ministerpräsidenten Stoiber, Althaus und Milbradt legen die Finger in die Hartz-Wunde und fordern eine Verschärfung der Anreize zur Arbeitsaufnahme von Langzeitarbeitslosern. Im Klartext sind das Sozialkürzungen. Reflexartig gehen linke Sozialdemokraten, Grüne und Linkspartei-Politiker deshalb auf die Barrikaden. Aber was ist die Alternative? Dass durch Nicht-Arbeit in Deutschland mehr Geld als durch Arbeit verdient werden kann, ist der eigentliche gesellschaftspolitische Skandal. Folgerichtig muss genau hier eine Korrektur erfolgen, die die SPD aber aus Angst verweigert, die eigene Wählerklientel zu vergrätzen. Dafür nimmt sie sogar eine Zunahme der Staatsverschuldung in Kauf und flüchtet sich aus der Handlungsverantwortung in einen bequemen, kollektiven Realitätsverlust. Symptomatisch dafür ist die abenteuerlich leichtfertige Behauptung des arbeitsmarktpolitischen Sprechers der SPD, Walter Pilger, man brauche nicht jedes halbe Jahr eine Hartz-Korrektur, nur weil der Haushalt in Schwierigkeiten sei.
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