Südwest Presse: Kommentar zur Kernenergie
Geschrieben am 07-07-2008 |
Ulm (ots) - Die wieder aufgeflammte Debatte um den Atomausstieg hat eine ökonomische und eine ideologische Seite - das erschwert ihre Bewertung. Gewiss ist es verlockend, im Bann galoppierender Energiepreise Zuflucht bei der Kernkraft zu suchen, denn die 17 Meiler in Deutschland sind mehrheitlich abgeschrieben und produzieren vergleichsweise kostengünstig Strom. In den Kassen der Betreiber klingeln jeden Tag Gewinne in Millionenhöhe. Die Frage ist nur, weshalb Energie trotz dieser mindestens teilweise so idealen Bedingungen für die Konzerne so teuer geworden ist - und warum die Preise plötzlich sinken sollten, wenn die Laufzeiten der Kraftwerke verlängert würden. Dass die Atomenergie im Kampf gegen den Klimawandel nun sogar das Öko-Siegel erhält, eine politische Unbedenklichkeitsgarantie gleichsam, gehört zu den unerträglichen Verrenkungen, die CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla vollführt, um die Union für den Wahlkampf zu rüsten. Sellafield, Tschernobyl, Forsmark, Krümmel, Brunsbüttel - alles halb so wild? Wer jetzt die unveränderte Gefahr, die von der Kernspaltung ausgeht, als Restrisiko verharmlost und gegen die drohende Verwüstung durch die Erderwärmung ausspielt, der handelt ebenso unehrlich wie unverantwortlich. Erstaunlich, dass die promovierte Physikerin Angela Merkel da mitmacht. Die Bundeskanzlerin, das ist ihr gutes Recht, plädiert seit ihrer Zeit als Umweltministerin dafür, an der Atomenergie als "Übergangstechnologie" festzuhalten. So steht es auch im Leitantrag für den Stuttgarter CDU-Parteitag Ende des Jahres. Doch hat die Vorsitzende immerhin so starke Vorbehalte gegen die Kernkraft, dass sie - anders als mancher ihrer Kollegen in den größten Industrieländern der Welt - nicht an den Neubau von Reaktoren denkt, sondern nur an längere Betriebszeiten bestehender Anlagen. Muss man die Bundeskanzlerin wirklich daran erinnern, dass die Endlagerung von Atommüll immer noch ungeklärt ist? Das Bild ist abgenutzt, aber es trifft, wie nicht nur der Soziologe Ulrich Beck findet, den Kern: "Frau Merkel mutet der Bevölkerung zu, in ein Flugzeug zu steigen, für das es noch keine Landebahn gibt." Sogar alle bisherigen Bemühungen um eine sichere Zwischendeponie für strahlenden Abfall sind von gravierenden Mängeln geprägt; erst jüngst schreckten Meldungen über Risse im ehemaligen Salzbergwerk von Asse auf. Und über das Zerstörungspotenzial von Spaltmaterial in den Händen von Schurkenstaaten oder Terroristen ist doch alles gesagt. Die aktuelle Diskussion kann weder über die Gefahren der Atomkraft hinwegtäuschen, noch darf sie die Alternativen verdrängen, die in zusätzlichen Spareffekten und dem Ausbau der erneuerbaren Energien liegen - sowie in politischen Maßnahmen der Weltgemeinschaft gegen die internationalen Ölpreistreiber. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, erst wenn die Kraftwerkseigner in Deutschland Strommengen von alten auf moderne Meiler übertragen haben, könnte eine neue Runde zum Energiekonsens eingeläutet werden. Allerdings ohne ultimative Forderungen auf beiden Seiten. Dass sich die SPD zu einem Ausstieg aus dem Atomausstieg bereit findet, ist so unrealistisch wie die Erwartung von Erhard Eppler, die Union werde den Verzicht auf neue Reaktoren im Grundgesetz festschreiben. Bis zur Bundestagswahl im September 2009 wird sich ohnehin niemand bewegen. Doch gegen vorbereitende Kontakte mit der Industrie spricht nichts. Geklärt werden müsste vor allem, was den Versorgern längere Laufzeiten ihrer Gelddruckmaschinen wert sind - im Interesse der Stromkunden und einer größtmöglichen Sicherheit bei der Entsorgung.
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Pressekontakt: Südwest Presse Lothar Tolks Telefon: 0731/156218
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