Lausitzer Rundschau: Die G8 und die Welternährungskrise Egoisten und Verantwortung
Geschrieben am 09-07-2008 |
Cottbus (ots) - Selbst auf dem Papier kriecht der Fortschritt nur wie eine Schnecke. Vom "ernsthaft prüfen" im vergangenen Jahr in Heiligendamm haben sich die G8 in diesem Jahr zur "Vision" vorgekämpft, den CO2-Ausstoß bis 2050 weltweit zu halbieren. Ein großes Lob an George W. Bush, der erkannt hat, dass nach ihm sowieso die Sintflut kommt. Eine große Anerkennung auch an Angela Merkel, die immer wieder mit viel Charme dafür sorgt, dass es in den Abschluss-Kommuniqués vorangeht. Aber nun kommt die Realität, und die ist noch langsamer. In der Realität erklären China und Indien noch am Tagungsort, dass sie die Vision zwar teilen, zunächst aber nicht die Anstrengungen der Umsetzung, weil sie erstmal weiter wachsen müssten. In der Realität betteln die G8-Führer bei der Opec im gleichen Atemzug um mehr Öl. In der kleineren Realität bettelt auch Merkel bei der EU um den Schutz der deutschen Autoindustrie vor allzu strengen Reduktionsvorgaben. Und in der noch kleineren Realität gelingt es dank einer Intervention von Wirtschaftsminister Glos der Bundesregierung in ihrem Energiesparpaket nicht, Vermieter zur Energiesanierung anzuhalten. Nur Marburg, nun sind wir ganz kleinteilig, schreibt seinen Hausbesitzern Ökosanierung vor. Wird Marburg die Welt retten, wenn es die G8 nicht tun? Solche Widersprüche zwischen großen Worten und kleinen Taten gibt es viele bei den G8. Lokal ist die Welt oft schon weiter, als die G8 es global sind. Bei der Entwicklung der Nahrungsmittelpreise ist es der eigene Protektionismus, über den sie nur äußerst langsam hinwegkommen, bei Afrika ihre mangelnde Bereitschaft, den Zusagen auch konkretes Geld folgen zu lassen, bei den Finanzmärkten der fehlende Wille, den Spekulanten wirksame Schranken zu setzen. Die G8 sind ein Club von Egoisten, der sich jährlich mit dem Vorsatz trifft, den Egoismus durch Gruppendynamik zu überwinden, und es immer nur ein Trippelschrittchen weit schafft. Aber andererseits: Wir haben nur diesen Club. In dieser Welt ist er der einzige, der wirtschaftlich in der Lage ist, Verantwortung zu tragen. Er ist die einzige Chance der Rückgewinnung politischer Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten in einer chaotisch verlaufenden Globalisierung. Also muss darüber geredet werden, wie er verbindlicher werden kann. Ohne Erweiterung geht das nicht. G8, das ist die alte Welt, mächtig noch, aber schrumpfend. G5, China, Indien, Mexiko, Südafrika, Brasilien, ist die neue, die wachsende Welt. Noch sperrt sich der alte Club gegen Neuzugänge. Noch wartet man die Entwicklung wie immer ab. Und so bekommen die Schwellenländer beim nächsten Gipfel in Italien zunächst nur etwas mehr Gesprächsraum eingeräumt. Der Fortschritt ist eben eine Schnecke. Aber, das ist der Trost, auch Schnecken kommen voran.
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