LVZ: Viele Fronten
Geschrieben am 30-05-2006 |
Leipzig (ots) - Von Armin Görtz Kay Nehm geht nach zwölf Dienstjahren als Generalbundesanwalt in Pension. Ganz planmäßig. Das ist nicht selbstverständlich. Siegfried Buback fiel 1977 einem heimtückischen Attentat der RAF zum Opfer. Zwei weitere Nehm-Vorgänger wurden aus politischen Gründen zum Rückzug gezwungen. Wolfgang Fränkel stolperte 1962 nach nur vier Monaten über seine NS-Vergangenheit - auch wenn die aus der DDR kolportierten Vorwürfe sich später als fragwürdig erwiesen. Alexander von Stahl nahm 1993 nach vier Jahren seinen Hut - Konsequenz der missglückten Anti-Terror-Aktion von Bad Kleinen. Der vorsichtig abwägende Nehm hat erstaunlicherweise die Wechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün und zu Schwarz-Rot ebenso im Amt überstanden wie die Kritiken an seinem Auftreten: Er hatte weder vor noch nach dem 11. September 2001 eine glückliche Hand, er strahlte nie das Charisma eines Kämpfers aus. In den 90ern wurde ihm vorgehalten, nicht gegen Rechtsradikale einzuschreiten. Kurz vor Ende der Amtszeit wollte er offenbar ein Exempel statuieren, riss den Fall von Potsdam an sich, für den er sich am Ende als nicht zuständig erwies. Nehm war blamiert. Für Nachfolgerin Monika Harms steht die Bewährungsprobe vor der Tür. Die Sicherheit ist während der Weltmeisterschaft an vielen Fronten bedroht: Hiesige und auswärtige Hooligans wollen sich austoben, Rechtsradikale Sympathie für den Holocaust-Leugner Ahmadinedschad demonstrieren. Gar nicht zu reden von der Gefahr durch Irre, die der Berliner Amoklauf inspirieren könnte. Immerhin dürften die Sicherheitsvorkehrungen Gesinnungsgenossen von Bin Laden abschrecken. Doch Deutschland bleibt - ob nun zur WM oder danach - im Visier des islamistischen Terrorismus. Harms fehlt es zwar an Erfahrung, eine Behörde zu führen, aber nicht an Durchsetzungskraft. Als Bundesrichterin in Leipzig versäumte sie keine Gelegenheit, ein konsequentes Vorgehen gegen Mörder, Terroristen und Wirtschaftskriminelle anzumahnen. Anders als der scheue Nehm wird Harms in Krisenzeiten nicht abwiegeln, sondern in die Offensive gehen. Eine Generalbundesanwältin vermag das Land nicht vor allen denkbaren Gefahren zu schützen. Sie kann aber durch erfolgreiche Ermittlungsarbeit Zuversicht ausstrahlen. Harms ist auch dafür zuständig, der Öffentlichkeit ein nüchternes Bild der Lage zu vermitteln: Unser Land ist nicht sicher, aber es gibt entschlossene Leute, die ihr Möglichstes gegen die Gefahr tun.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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