Westdeutsche Zeitung: Raucher-Urteil = von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 30-07-2008 |
Düsseldorf (ots) - Warum nicht gleich so? Wer das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rauchverbot in der Gastronomie zur Kenntnis nimmt, kommt unweigerlich zu diesem Schluss. Die Richter in Karlsruhe haben einen pragmatischen Interessenausgleich zwischen Rauchern und Nichtrauchern gefunden. Der Bürgerfrieden ist einstweilen wieder hergestellt. Die Frage, warum die Parlamente in den Bundesländern dazu nicht selbst in der Lage waren, bleibt wie so häufig ein Rätsel. Sendungsbewusste Nichtraucher mögen beklagen, dass der blaue Dunst nicht grundsätzlich aus Restaurants und Kneipen verbannt bleibt. Sie wissen genau, dass sich die Länder zu einem weiterhin möglichen totalen Rauchverbot nicht durchringen werden - auch wenn die Richter den Gesundheitsschutz zu einem überragenden Gemeinschaftsziel erklärt haben. Selbst in Bayern wird die strengste aller gefundenen Regelungen auf Dauer wohl keinen Bestand haben. Ein Verlust wäre dies nicht. Auch wenn das Verfassungsgericht seine "Lex Eckkneipe" auf dem Fundament der Gewerbefreiheit gründet, hat es faktisch auch die Genussfreiheit verteidigt. Wie stark dieser Genussanspruch die Grenze der Gesundheitsschädigung beim Rauchen, Essen und Trinken überschreitet, sollte auch in Zukunft jeder Bürger selbstverantwortlich entscheiden dürfen. Solange der Jugendschutz gewährleistet ist und die Nichtraucher ein ausreichendes Angebot an Schankkneipen finden, in denen sie ihre Gesundheit nicht schädigen müssen, ist das vollkommen ausreichend. Eine Bestandsgarantie für die Eckkneipe ist das Karlsruher Urteil aber deswegen nicht. Die jahrelange Raucherdebatte hat nämlich überdeckt, dass das längst begonnene Kneipensterben viel tiefer gehende Ursachen hat: Große Bevölkerungskreise bevorzugen mittlerweile andere Treffpunkte wie Bistros oder Kaffeebuden, und die mediale Dauerberieselung durch Fernsehen und Heimkino fesselt mehr Menschen in ihren vier Wänden. Außerdem sind die Bürger bemüht, einen immer geringeren Teil ihrer Einkünfte für Lebensmittel und auch für Kneipengänge auszugeben, etwa um sich mehr Urlaube leisten zu können. So gesehen ist die Eckkneipe auch ein Opfer der Aldisierung unserer Gesellschaft.
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