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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rechtschreibreform

Geschrieben am 01-08-2008

Bielefeld (ots) - Die Rechtschreibreform ist zehn Jahre alt. Ein
Anlass, »Herzlichen Glückwunsch!« zu rufen, ist das nicht. Für den
Buchhandel war und ist die Schreibverwirrung ein Geschäft, weil die
Verlage millionenfach Ratgeber verkaufen. Viele Deutsche halten die
Korrekturen für ein Ärgernis, für so überflüssig wie einen Kropf. Die
Gesundheitsreform der deutschen Sprache ist gescheitert, an ihr wird
auch nach zehn Jahren noch herumgedoktert. Die Schweizer
Orthographische Konferenz hält weitere Nachbesserungen für
unerlässlich. Gehen also die Reparaturarbeiten weiter?
Korrekt zu schreiben sollte einfacher werden: Mit diesem Ziel gingen
Germanisten und die Kultusminister damals daran, die deutsche Sprache
von Ungereimtheiten zu befreien. Es begann ein Kahlschlag. Dafür,
dass Betttuch mit drei »t« und dass mit zwei »s« geschrieben werden
sollen, haben die meisten Deutschen Verständnis. Aber für das
willkürliche Auseinanderreißen von Wortverbindungen gilt das nicht.
Beispiel »zusammen tragen«: Es ist ein Unterschied, ob zusammen
tragen meint, dass jemand Informationen oder Modellautos sammelt,
oder ob es bedeuten soll, dass mehrere Menschen einen Schrank
gemeinsam schleppen. Die alte Zusammenschreibung war die bessere
Lösung.
Nach dem Kahlschlag folgte die Neuanpflanzung des alten Saatguts. Der
Rechtschreibrat um den früheren bayerischen Kultusminister Hans
Zehetmair brachte durch die Rückbesinnung auf Altbewährtes wieder
mehr Vernunft in den Rechtschreibwahnsinn. Dennoch ist die
Verunsicherung weiter groß. Wie die Forschungsgruppe Deutsche Sprache
herausfand, stieg die Fehlerquote in Aufsätzen von Viertklässlern und
in Diktaten von Gymnasiasten deutlich an. Damit haben die
Rechtschreibreformer ihr Ziel verfehlt. Wenn es ums Schreiben geht,
müssen die Deutschen heute öfter im Duden nachsehen als früher.
Das Flickwerk leistete der Beliebigkeit Vorschub. »Ich schreibe so,
wie ich will«: So denken immer mehr Deutsche. Wenn Personalchefs über
haarsträubende Schnitzer in den Bewerbungen um Lehrstellen klagen,
dann ist das auch auf die zersetzende Wirkung der Rechtschreibreform
zurückzuführen.
Während Ältere, die Sprache als hohen Wert ansehen, auf Korrektheit
bei Rechtschreibung und Formulierungen achten, bekommen sie im
Gegenzug Briefe von ihren Enkeln, die von großer sprachlicher
Gleichgültigkeit zeugen. Ohnehin möchten viele Jugendliche am
liebsten nur noch SMS schreiben, auf dem Handy regiert der
Abkürzungswahn.
Mehr als zehn Jahre lang streiten die Deutschen schon über die
Rechtschreibung, die am 1. August 2007 endgültig in Kraft trat. Nach
der langen Zeit ist sie immer noch unausgegoren. Aber wir müssen wohl
die Mängel akzeptieren, denn eine neuerliche Reform der Reform wäre
für die Schüler und auch ihre Lehrer unzumutbar. Lieber ein Ende mit
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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