WAZ: Macht und Ohnmacht der IOC-Führung. Leitartikel von Hans-Josef Justen
Geschrieben am 03-08-2008 |
Essen (ots) - Versteht sich das Internationale Olympische Komitee als "Weltregierung des Sports", dann ist sein Präsident Jacques Rogge logischer Weise eine globale Allmacht von unerreichter Dominanz. Stärker noch als Joseph S. Blatter, der oberste Dienstherr aller Fußball-Verbände. Doch allein die Namen der beiden Autoritäten zu nennen, heißt zugleich, ihre Eigenarten miteinander zu vergleichen und Fragen zu stellen wie diese: Wäre Sepp Blatter vor dem Diktat eines WM-Ausrichters tatsächlich auf ähnlich duldsame Weise eingeknickt wie Jacques Rogge gegenüber dem chinesischen Gastgeber der Sommerspiele in Peking?
Kurze, knappe Antwort: Nein, sicher nicht. Während Blatter vor der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sogar verfügt hat, dass die nach unverzichtbaren Sponsoren benannten Stadien für die Dauer des Turniers einheitlich in WM-Arenen umgetauft und VIP-Zonen für A- oder B-Promis eingerichtet werden mussten, hat sich Rogge bei der Klärung eines fundamentalen Problems auf die Sichtweise der Chinesen eingelassen: Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen, einer Veranstaltung, die sich der grenzenlosen Freiheit und Völkerverständigung rühmt, sind Informationskanäle für Athleten und Berichterstatter ausgetrocknet worden: China bestimmt per Zensur, welcher Internet-Zugang geöffnet werden darf, und Rogge, der auch den leisesten Versuch von Beschränkungen noch vor Wochen ins Reich der Fabel verwies, steht gegenüber dem Reich der Mitte wie ein Weichmann da: Das IOC sei, so räumte der 66 Jahre alte Chef dieser Weltregierung kleinlaut ein, Opfer einer "gewisssen Naivität" geworden. Doch IOC-Funktionäre seien "Idealisten", und Idealismus habe eben auch mit Naivität zu tun.
Hier äußert sich die Ohnmacht eines mächtigen Zirkels, der losgelöst von China ganz schön die Muskeln spielen lässt: Nicht zimperlich bei Milliarden-Forderungen für die Vermarktung der fünf Ringe, oft rücksichtslos bei der zwar fernsehfreundlichen, aber für Athleten unzumutbaren Gestaltung des olympischen Programms und unerbittlich bei Vorschriften fürs angepasste Verhalten der Teilnehmer, die Proteste und politische Äußerungen tunlichst zu unterlassen haben,
Eigentlich ist das IOC Hausherr bei Olympia, doch in Peking gibt der Gastgeber die Richtung vor, und Hausverwalter Rogge entschuldigt sich mit "Naivität". Einem Blatter wäre das nie passiert, was nicht für Blatter spricht, aber eindeutig gegen Rogge.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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