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Hellmuth Karasek: "Bis zur Mia-Farrow-Affäre hat Woody Allen sein Privatleben perfekt abgeschottet"

Geschrieben am 07-08-2008

München (ots) -

- Querverweis: Bildmaterial wird über obs versandt und ist
abrufbar unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs -

Hellmuth Karasek (74) spricht im Tele 5-Exklusiv-Interview über
seine Begegnungen und Lieblingsfilme mit Woody Allen, dem Tele 5 in
der "Meisterwerke Matinée" eine Reihe widmet. 'Verbrechen und andere
Kleinigkeiten' ist beim Spielfilmsender am 10. August, um 10.10 Uhr,
zu sehen. Es folgen an den kommenden Sonntagen 'Eine
Sommernachts-Sexkomödie', 'Der Stadtneurotiker' und 'Bananas'.

Tele 5: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Woody-Allen-Film?

Hellmuth Karasek: 'Der Strohmann' von 1976, der sich mit der
McCarthy-Ära und dem Berufsverbot in Hollywood auseinandersetzt. Sehr
komisch fand ich Woody Allen dann in 'Take the Money and Run' und in
'Mach's noch einmal, Sam', der eine herrliche Parodie auf
'Casablanca' ist. Darin zeigte Woody Allen das erste Mal, dass ein
schwächlicher Intellektueller in der Liebe gegen einen
geschäftsumtriebigen Macho gewinnen kann. Dass der Schwächere
gewinnt, ist ja ein Kernthema der Komik.

Sind Sie durch diese Filme auch zum Woody-Allen-Fan geworden?

Zum Fan bin ich durch 'Manhattan' geworden. Ich hatte das große
Vergnügen, dass ich zu dieser Zeit mit Woody Allen in Zürich an einer
Diskussion teilnehmen sollte. Woody Allen kam allerdings nicht und
ich bin allein aufs Podium gegangen, habe etwas gemurmelt wie "Das
kann ja was werden" - und habe dadurch zum ersten Mal einen Lacher in
der Öffentlichkeit bekommen. Das war schon ein sehr befreiendes
Erlebnis.

Sie haben Woody Allen aber später dann doch noch getroffen...

Ich bat den Produzenten, dass ich Woody Allen am Drehort
interviewen wolle. Der antwortete mir zuerst, das ginge nicht, denn
Woody Allen gäbe keine Interviews, wenn er gerade dreht. Ich habe
darauf gepocht, dass er ihn wenigstens fragt und ausrichtet, dass
meine Frau und ich zwei seiner Drehbücher für einen deutschen Verlag
übersetzt haben. Das hat offensichtlich funktioniert, denn
schließlich durfte ich Woody Allen bei 'Eine
Sommernachts-Sex-Komödie' in der Nähe von New York treffen. Das war
eine wunderbare Shakespeare-Variante, wo - quid pro quo - die Liebe
allen den Kopf verdreht und alle alles tauschen.

Und das Interview?

Ein großer Vorteil war, dass es sehr heiß war und meine Frau wie
Woody Allen rote Haare und viele Sommersprossen hatte. Dadurch
entstand eine große Sympathie zwischen den beiden, Allen hielt seinen
Arm neben den von meiner Frau und sagte: "Mensch, Sie haben ja mehr
Sommersprossen als ich". Von da an war das Eis gebrochen und wir
haben ein sehr schönes Interview gemacht.

Was zu der damaligen Zeit nicht so einfach war...

Es war sehr schwer damals, aber ich hatte einen Fuß in der Tür.
Und Woody Allen hatte auch Vertrauen zu mir, weil die Interviews nie
etwas Indiskretes enthielten. Und nebenbei: Er erzählt auch nichts
Indiskretes. Bis zu dieser Mia-Farrow-Affäre hat er sein Privatleben
perfekt abgeschottet.

Hat er von vornherein gleich gesagt, dass Sie nichts Privates
fragen dürfen?

Nein, da bin ich von allein drauf gekommen. Manches muss man nicht
fragen.

Haben Sie Woody Allen später noch öfter getroffen?

1992 drehte er in New York im Winter, das war kurz bevor die Sache
mit Mia Farrows Adoptivtochter raus kam. Ich wollte Woody Allen
interviewen und er ließ mich lange in seinem Wohnwagen warten, der
voller Kinderspielzeug war, einem Basketball und Marshmellows. Nach
über einer Stunde kam er zurück und sagte: "Weil Sie solange gewartet
haben, dürfen Sie jetzt bei einer Bettszene zuschauen." Wir stiegen
dann eine Treppe in einem Haus hoch, wo ein nacktes Pärchen unter der
Decke lag. Allen sagte noch grinsend, dass er die Szene gerne selbst
gedreht hätte, sie ihm aber zu anstrengend wäre, griff in seine
Tasche und holte Pillen raus: "Jetzt brauche ich selbst beim Drehen
schon Beruhigungspillen!" Das war der einzige Witz, den er gemacht
hat. Und er sagte noch, er hätte immer schon Kummer mit dem Sex. Da
habe ich später sehr genau verstanden, was er damit meinte.

Waren Sie denn überrascht, als seine Liaison mit der Stieftochter
an die Öffentlichkeit kam?

Ich war nicht überrascht, weil ich gerade von Billy Wilder kam und
der einen Bekannten in New York hatte, einen älteren Autor, der auch
mit Woody Allen befreundet war. Und Wilder sagte zu mir: "Stell dir
vor, was Schreckliches passiert ist: Mia Farrow hat Aktfotos auf dem
Kaminsims von ihrer Adoptivtochter mit Woody Allen gefunden." Ich
sagte nur, schön blöd, wenn man die da liegen lässt.

Kann man die private Person Allen überhaupt von dem Filmemacher
trennen, der in seinen Filmen auch immer Autobiographisches
durchscheinen lässt?

Ich denke, dass Künstler meist nur über sich selbst und ihre
Komplikationen schreiben - ob Sie an Mozarts 'Don Giovanni' oder
Billy Wilders 'Frau ohne Gewissen' denken oder an Woody Allens Film.
Billy Wilders 'Reporter des Satans' ist ein Reporter-Film, und Billy
Wilder war ja auch Reporter. Er war auch Eintänzer, viele seiner
Helden sind kleine Angestellte und diese Erfahrungen lassen Filme wie
'Das Apartment' sehr persönlich werden. Ein großartiger Film - und
auch Woody Allens beste Filme erinnern sehr an 'Das Apartment'.

Die Vermischung zwischen Tragik und Komik?

Genau. Das Leichtnehmen der Tragik und das Ernstnehmen der Komik
in der Liebe.

Sie haben später einen Dokumentarfilm über Woody Allen gedreht.

Das war fürs Fernsehen, 'Mr. Manhattan', und ich habe mich später
sehr geärgert darüber, denn ich habe für das Interview gerade mal
2000 Mark bekommen, der Film lief aber in aller Welt im Fernsehen
rauf und runter, in unzähligen Wiederholungen. Aber so kommt das,
wenn man schlechte Verträge hat.

Inzwischen sind Sie schlauer...

Nein, [lacht] ich habe es nicht mehr nötig, schlauer zu sein. Ich
kriege diese Chance nicht mehr.

Haben Sie Allen bei dem Film auch privat kennengelernt?

Ich war bei seinen Jazzkonzerten dabei. Wir waren auch zusammen in
einem Feinkostladen, den er immer aufsuchte und wo die typische New
Yorker-jüdische Klientel hinging. Da holte er sich Pickles und Gurken
und vor allem Pastrami, das ist ein koscherer Schinken, weil er nicht
aus Schweine-, sondern Rindfleisch besteht. Allen und ich haben auch
über Sport sehr viel gesprochen, er war begeisterter Baseball-Fan.
Ich fragte ihn in meiner damaligen Naivität: "Was, Sie gucken Sport?"
Ich konnte es nicht fassen, dass der große Woody Allen ins Stadion
geht. Da sagte er, Baseball sei wie Kaugummikauen fürs Hirn.

Besuchten Sie mit ihm mal ein Spiel?

Die Tortur, mir ein Baseballspiel anzugucken, das ist für mich das
Langweiligste auf der Welt. Das ist wahrscheinlich so langweilig wie
für die Amis unser Fußball. Auch Billy Wilder ist es nicht gelungen,
mich davon zu überzeugen, dass American Football schöner ist als
Soccer.

Gibt es Bonmots von Woody Allen, die sie besonders gern zitieren?

Ich mag solche Zitate, wie über das ewige Leben, da sagt Woody
Allen: "Und wer kümmert sich dann um die Reinigung der Wäsche?" Oder:
"Gibt es einen Gott? Und gibt es ein gutes Hotel in Kansas City?"

Haben Sie einen Lieblingsfilm von Woody Allen?

Lange war es 'Manhattan', 'Der Stadtneurotiker' finde ich
inzwischen aber besser. Anfangs dachte ich noch, was für ein doofer
deutscher Titel - inzwischen finde ich diesen aber wunderbar, denn er
trifft für alle Woody-Allen-Figuren zu, die intellektuelle Neurotiker
New Yorks sind. 'Hannah und ihre Schwestern' ist ein ganz wunderbares
Werk, ebenso 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'. Am Anfang habe
ich Woody Allens Filme nur gemocht, wenn er auch mitgespielt hat. Es
hat sich dann bei mir sogar eine Zeitlang eine gewisse
Woody-Allen-Müdigkeit eingestellt, die aber durch Scarlett Johansson
in 'Match Point' wieder gelöst wurde.

Inwiefern das?

Der Film hat mich beeindruckt, denn er nimmt noch einmal das Thema
von 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten' auf: Eine große Liebe, die
in einem Verbrechen mündet, weil die stärkere Gier die Geldgier ist.
Da sieht man auch, dass der Sex auf einmal weg vom Gesellschaftsspiel
geht und mit einer Mordgeschichte verbunden wird. In Allens
Intellektuellen-Komödien wird man ja sonst geschieden und die Frau
wird eine Lesbierin oder betrügt oder verlässt ihn.

Ist es die Wende zum Krimi, die sie Sie fasziniert hat?

Nicht mal so sehr, dass das ein Krimi ist, sondern dass Sex immer
noch so urtümliche Verbrechen produziert wie in der Antike, etwa in
'Medea' oder 'Ödipus'. In Allens 'Scoop - Der Knüller', den ich
ebenfalls toll fand, wird das gleiche Thema nochmals auf witzige Art
zelebriert und es hat schon was von einer Persiflage auf Hitchcocks
'Berüchtigt', wenn die beiden in dem Keller herumstöbern. Und ich mag
es, wenn gezaubert wird und dem Zauberer die Tricks daneben gehen.

Was mögen Sie an 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'?

Das Doppelleben dieses einerseits schwächlichen Intellektuellen
und andererseits nicht mehr liebenden Arztes, dem die Freundin lästig
wird und sie von der Mafia beseitigen lässt, und trotzdem nicht
auffliegt. Woody Allen hat darin mit dem Vorurteil aufgeräumt, 'Crime
doesn't pay' - also bei Allen lohnt sich Verbrechen. Das musste sein
großes Vorbild Billy Wilder in 'Frau ohne Gewissen' noch verstecken.
Über dieses Werk sagte Woody Allen ja, "das ist der beste Film von
Billy Wilder und es ist der beste Film von uns allen überhaupt - der
amerikanische Film schlechthin". Woody Allen kopiert ihn ja auch in
manchen Komödien als Bild, wenn ein Paar sich etwa 'Frau ohne
Gewissen' im Fernsehen anschaut.

Gab es andere Billy-Wilder-Filme, die Allen inspiriert haben?

Allen fand noch 'Reporter des Satans' ganz toll. Allen ist
überhaupt ein großer Cineast, weil er es versteht, geschickt und
einfallsreich zu zitieren und Szenen in seinen eigenen Arbeiten
einzufädeln, um so ein eigenständiges Werk daraus zu machen.

Woody Allen sagte mal, dass er bei jedem Film ein absolutes
Meisterwerk schaffen möchte, vom Schlage eines 'La Dolce Vita' oder
'Rashomon', er aber immer wieder scheitern würde.

Er hat immer Verbeugungen vor ganz großen Regisseuren gemacht. Und
ihnen gegenüber fühlt sich Allen als Künstler, der Kleinigkeiten
macht. Man kann es mit Heine sagen: "Aus meinen großen Schmerzen mach
ich die kleinen Lieder". Aber die Kleinigkeiten sind inzwischen bei
Allen Hauptsachen geworden, das sind große Filme. Dass er das selber
nicht von sich sagen wird, ist auch völlig klar, das ist keine
Koketterie, sondern das Ungenügen an der eigenen Arbeit. Man ist zwar
zufrieden, aber sagt, es hätte noch besser werden können.
Wie sieht für Sie ein perfekter Kinobesuch aus?
Ich gehe gerne ins Kino, wenn's voll ist. Das ist das schönste am
Kino.

Allein sitzen Sie nicht gerne da?

Nein, vor allem bei Komödien nicht. Ich weiß noch, wie ich 'Der
Stadtneurotiker' allein in einem Presse-Screening gesehen habe, weil
ich bei der Hauptvorführung in Hamburg nicht da war. Das war ein
toller Film, aber es nimmt ihm schon etwas, wenn niemand sonst lachen
kann. Auch bei Krimis: Sie merken genau, wann das Publikum atemlos
schweigt - das ist so fantastisch. Mit Billy Wilder und Woody Allen
habe ich darüber gesprochen, das es eine große Kunst ist, den
Zuschauer zum Verbrecher überlaufen zu lassen. In 'Frau ohne
Gewissen' gibt es einen tollen Moment, als die beiden den perfekten
Mord begangen haben, aber das Auto springt nicht an, wie sie
wegfahren wollen. Dreimal passiert nichts, und dann springt es
endlich an... und in dieser Sekunde merkt der Zuschauer, dass er auf
der Seite des Verbrechers ist. Ähnlich ist es in Alfred Hitchcocks
'Psycho', wenn das Auto des Mörders nicht untergeht. Als es doch
untergeht, gibt es eine riesige Erleichterung. Und auch bei 'Match
Point': Das Thema, wenn der Tennisball aufs Netz fällt und man nicht
weiß, auf welcher Seite er runterkommt, wird in der Szene wieder
aufgegriffen, als der Ring nicht ins Wasser fällt. Wir denken, jetzt
ist der Held verloren. In Wahrheit rettet ihn genau das, denn ein
Ganove findet den Ring und wird überführt, weil die Polizei glaubt,
dass er der Raubmörder ist. Ungeheuer raffiniert. Wir wünschen diesem
miesen Kerl, dass er davon kommt.

Die heimlichen Mordgelüste des Zuschauers...

Dass das Böse siegt, ist in den letzten Jahren etwas aus der Mode
gekommen. Gestern war ich in 'Don Giovanni' in Salzburg. Wenn der zur
Hölle fährt, singen alle am Ende noch fröhlich "So ergeht es einem
Schurken", das wirkt immer etwas drauf gepappt, damit das Schicksal
von Don Giovanni noch eine Moral hat. Schöner ist es wenn es keine
Moral hat - wie etwa in 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten". Ich
kann mir keinen perfideren Mord vorstellen, weil der Mörder nur ein
Schreibtischtäter ist und einen Verwandten bei der Mafia die Arbeit
machen lässt. Er selbst möchte damit nichts zu tun haben. Das ist wie
ein Bombenabwurf, bei dem man die Folgen nicht sieht.

Interview: Steffen Wulf

Woody-Allen-Reihe auf Tele 5, immer Sonntag vormittag:

10. August, 10.10 Uhr, 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'
17. August, 10.35 Uhr, 'Eine Sommernachts-Sexkomödie'
24. August, 10.20 Uhr, 'Der Stadtneurotiker'
31. August, 10.15 Uhr, 'Bananas'

Textrechte: ©Presse Tele 5, Verwertung honorarfrei nur bei
Programmhinweis auf Tele 5.

Wir lieben Kino.
Tele 5. Der Spielfilmsender

Originaltext: Tele 5
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/43455
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_43455.rss2

Pressekontakt:
Tele 5 Pressekontakt
Steffen Wulf, Jochem Becker
Tel. 089-649568-174, -176, Fax. -119,
E-Mail: presse@tele5.de


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