LVZ: GUANTÁNAMO-HÄFTLING KURNAZ SOLL IN KÜRZE FREIGELASSEN WERDEN UND NACH DEUTSCHLAND KOMMEN / NEUE ZWEIFEL IN SACHEN FOLTER-VERHÖRE / BND-AGENTEN HABEN FRÜHEZTIG KRIEGSSZENARIEN ÜBERMITTELT
Geschrieben am 01-03-2006 |
Leipzig (ots) - Die US-Behörden werden "in Kürze" den im umstrittenen Gefangenenlager in Guantánamo Bay festgehaltenen Murat Kurnaz, einem in Deutschland aufgewachsenen türkischen Staatsbürger, freilassen. Das bestätigten deutsche Regierungsmitglieder der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG (Mittwoch-Ausgabe). Kurnaz, dem eine Unterstützung des Terrornetzwerkes El Kaida vorgeworfen worden war, ist am 1. Dezember 2001 durch pakistanische Behörden festgenommen und am 2. Februar 2002 von US-Streitkräften nach Guantánamo überstellt worden. Bereits am 15. März 2005 hatte das Bundeskriminalamt an die Bundesregierung übermittelt, "dass M.K. keine terroristischen Aktivitäten nachgewiesen werden konnten". Dies geht, nach dem Bericht der Zeitung, aus dem bisher vertraulich gestellten Regierungsbericht zur "BND-Affäre" hervor. Nachdem die US-Behörden, laut Regierungsbericht, in der Vergangenheit "mit Unverständnis" auf die Einreiseverweigerung der Bundesrepublik reagiert hatten, war die Geheimdienst-Runde im Bundeskanzleramt am 17. Januar 2006 zu dem Beschluss gekommen, "dass eine mögliche Einreise akzeptiert wird". Bereits Ende 2002 hatten offenbar US-Behörden die Freilassung von Kurnaz erwogen, wegen dessen "nicht feststellbarer Schuld sowie als Zeichen der guten Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden". Aber zu dieser Zeit hatte der Bundesnachrichtendienst für dessen Abschiebung in die Türkei und für eine Einreisesperre nach Deutschland plädiert, so ein internes BND-Schreiben vom 9. November 2002. Für die Freilassung hatte sich zuletzt die Bundeskanzlerin bei ihrem USA-Besuch eingesetzt und andernfalls "die Einleitung eines rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden Strafverfahrens" in den USA verlangt.
Am 23. und 24. September 2002 war Kurnaz in Guantánamo durch zwei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und einem Verfassungsbeamten auf Anregung der US-Behörden hin vernommen worden. "Die Befragungen fanden in klimatisierten Vernehmungscontainern statt" und "auf Bitten der deutschen Delegation" mit abgenommenen Handfesseln aber mit einer an einem Eisenring am Boden angeketteten Fußfessel, so der vertrauliche Regierungsbericht.
In insgesamt sechs Fällen, so der Regierungsbericht, prüfen die Bundeswehr und deutsche Sicherheitsdienste zudem die illegale Benutzung einer zivilen journalistischen Legende durch Angehörige der Bundeswehr auf dem Balkan und in Afghanistan. Deutsche Soldaten hätten sich möglicherweise "entgegen der deutschen Vorschriftenlage" bei der Nachrichtengewinnung und Befragung von Bürgern als Journalisten ausgegeben, um Hinweise auf islamistische Verstrickungen zu erforschen. In einem weiteren Fall haben Angehörige des Militärisches Abschirmdienstes entgegen der Gesetzeslage an Vernehmungen außerhalb der Bundeswehreinrichtungen in Kabul teilgenommen. Diese Teilnahme an den Befragungen "hätte nicht stattfinden dürfen", wird eingeräumt.
Im Zusammenhang mit der Debatte um die Verwendung von im Ausland gewonnenen Zeugenaussagen, bei denen Folter-Verdacht besteht, sind, ausweislich des internen Regierungsberichtes, neue Fragen vor dem Hintergrund des Falles Mohammed Haidar Zammar aufgetaucht. Der Deutsch-Syrer, der sich nach deutschen Sicherheitsberichten ab den 90er Jahren zu einem islamistischen Jihad-Prediger und Werber entwickelt habe, ist am 21., 22. und 23. November im Hauptquartier des syrischen Militärdienstes in Damaskus von Mitgliedern des Bundeskriminalamtes und des deutschen Verfassungsschutzes vernommen worden. Ihm war, laut Bericht, "ein Stuhl mit kleinem Beistelltisch für Tee und Pistazien zugewiesen" worden. Zammar "erwähnte im Verlauf der Befragung, dass er sowohl in marokkanischer als auch in syrischer Haft geschlagen worden sei", so das deutsche Gesprächsprotokoll. "Das Gesamterscheinungsbild M.H.Z.s deutete darauf hin, dass sich solche Übergriffe in keinerlei zeitlichem oder sachlichem Zusammenhang mit der Befragung durch deutsche Stellen ereignet haben konnten," auch wenn Zammar darauf hingewiesen habe: "Er müsse sich meist in einer Zelle von 190 cm Länge und 103 cm Breite ohne Licht aufhalten." Amnesty International, die Gefangenenhilfsorganisation, stellte später fest, wie auch Zammars Anwalt in einem Brief vom 26. März 2005 an den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne): Der Gefangene werde "unter menschenverachtenden Bedingungen in der Haftanstalt Far'Falestin festgehalten."
Deutsche Regierungsstellen teilten der Zeitung mit, ähnliche "Befragungen im Ausland" unter vergleichbaren Umständen würden auch bei Geltung der neuen Verhaltensrichtlinien stattfinden, "da wir sonst keinen mehr befragen dürften, der jemals gefoltert worden ist". In ihren neuen Verhaltensrichtlinien für Auslandsverhöre hält die amtierende Bundesregierung unter anderem fest: "Eine Befragung unterbleibt, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Betroffene im Aufenthaltsland der Folter unterworfen wird."
Im umstrittenen Fall der BND-Berichte aus dem Irak im Umfeld des US-geführten Krieges ergibt sich, laut Zeitung, aus dem Regierungsbericht, schon vor der bekannten Entsendung zweier Sonder-BND-Agenten nach Bagdad (für die Zeit vom 15.2. bis 16.12.2003) eine gut funktionierende BND-Residentur mit sehr guten Kontakten bis zur Spitze des irakischen Nachrichtendienstes erfolgreich gearbeitet hatte. So wurden "in den Monaten vor Kriegsbeginn" in 50 Einzelanfragen deutscher Regierungsstellen (insbesondere seitens des Bundeskanzleramtes und des Außenministeriums) möglichst detaillierte Informationen und Pläne abgefragt, bezüglich der "vermuteten Art der irakischen Kriegsführung" und "zu Kriegsszenarien". Anderen Regierungsquellen zu folge waren darunter auch Informationen zu dem neuen "Ring-Verteidigungssystems" rund um Bagdad, zu neueren Geschützstellungen und zu Plänen, die Verteidigung durch brennende Öl-Gräben zu organisieren.
Wegen Ausfalls der abhörsicheren Verbindungskanäle zwischen BND-Agenten in Bagdad und der Zentrale in Pullach in der Zeit vom 20. bis 27. März 2003 - der ersten Kriegswoche - mussten die BND-Repräsentanten auf abhöranfällige unverschlüsselte Telefonkontakte für ihre Meldungen zurückgreifen. Mindestens in dieser Zeit, so räumen deutsche Sicherheitsbehörden ein, hätten die Amerikaner "ganz genau und aktuell" über alles Bescheid gewusst, was die BND-Experten weitergemeldet hätten.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
Rückfragen bitte an: Leipziger Volkszeitung Büro Berlin Telefon: 030/72626-2000
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