WAZ: Games Convention in Leipzig - Der digitale Spieltrieb. Leitartikel von Thomas Mader
Geschrieben am 20-08-2008 |
Essen (ots) - Die Games haben die Spiele abgelöst, da muss man sich nichts vormachen. Games, das ist nicht nur das englische Wort für etwas Althergebrachtes. Räuber und Gendarm mit dem Nachbarn war vorgestern, heute beschießt sich Kevin online mit einem Mitspieler in Kalifornien oder Kenia. Jedes Kind spielt heute international. Das bringt eine neue Qualität mit sich: die Digitalisierung des Spieltriebs. Härteren Bildern folgen härtere Gefühle, starke Scheinwelten fordern starke Teilnahme, höhere Verfügbarkeit bewirkt mehr Konsum. Und das hat Folgen - wirtschaftlich, gesellschaftlich und gesundheitlich.
Bei der Games Convention in Leipzig steht vor allem die wirtschaftliche Chance im Fokus. Denn das "Zocken" hat bereits die Mitte der Gesellschaft erreicht: Jeder dritte Deutsche spielt an Computer oder Konsole, bei den 14- bis 29-Jährigen liegt der Anteil gar bei etwa zwei Dritteln. Folgerichtig hat die Games-Branche bereits den Filmmarkt ausgestochen. 2007 erwirtschaftete sie mehr als 30 Milliarden Euro, davon etwa zwei Milliarden in Deutschland.
Die wirtschaftlichen Interessen sind also enorm, weshalb viele Vertreter (ebenso wie Anwender) ausgesprochen genervt reagieren, wenn man ihnen die pathologischen Auswüchse vorhält: Verrohung, Sucht, Verfettung. Dabei sind diese Folgen ebenfalls in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nach einer Studie der Uni Koblenz-Landau ist bereits jeder zehnte Jugendliche süchtig nach Computerspielen.
Das bestätigt Klaus Wölfing, der am Main-zer Universitätsklinikum das erste Therapiezentrum für Computerspielsüchtige leitet. "Jugendliche sind eher gefährdet, abhängig von Online-Spielen zu werden als von Alkohol oder Haschisch." Die Folgen seien "Schlafmangel, Fehlernährung und vollkommene Isolation von der Außenwelt".
Natürlich gibt es auch positive Folgen: Games trainieren die Reflexe, das Koordinationsvermögen, ebenso die Fingerfertigkeit. Eine Studie hat ergeben, dass Zocker wahrscheinlich gute Chirurgen abgäben. Und es ist ja unbestritten, dass Games Spaß machen, die Kreativität herausfordern, in manchen Fällen sogar Brutalität von der Straße auf den Monitor verlagern können.
Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese unwahrscheinliche digitale Energie sich nur dann positiv auswirkt, wenn sie vom sozialen Umfeld entsprechend kanalisiert wird. Die Games muss man nicht aufhalten. Aber man sollte die Kinder lehren, mit ihnen umzugehen - im Elternhaus ebenso wie in der Schule.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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