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Börsen-Zeitung: Im Griff der Finanzkrise Kolumne "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

Geschrieben am 22-08-2008

Frankfurt (ots) - Den Sommer dürften sich die Anleger am
Aktienmarkt ein wenig anders vorgestellt haben. Durch die Entwicklung
der letzten zwei Wochen müssen sie sich nun wohl damit abfinden, dass
der laufende Turnus das erste Jahr seit 2003 wird, in dem die
Schlussabrechnung im Dax unter roten Vorzeichen stehen wird. Bis zum
Ultimo bleiben nur noch etwas mehr als vier Monate Zeit, und es
scheint im aktuellen Umfeld doch mehr als zweifelhaft, dass der Dax
bis dahin wieder die Schwelle von 8000 erreichen kann.

Nach dem zweimal gescheiterten Versuch, nachhaltig über 6600 zu
steigen, hat das deutsche Blue-Chip-Barometer die zweite Woche in
Folge nachgegeben und bei 6190 beinahe schon wieder Tuchfühlung mit
dem Jahrestief von knapp 6000 aufgenommen, das Mitte Juli erreicht
worden war. Es ist vor allem die seit über einem Jahr die Gemüter
plagende Finanzkrise, die den Markt wieder im Griff hat. Derzeit
schrecken Zweifel an der Überlebensfähigkeit der
US-Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae sowie des
Investmenthauses Lehman Brothers die Investoren ab.

Hinzu kommt, dass die von den USA ausgehende Abschwächung der
Weltwirtschaft nun verstärkt in anderen Regionen und damit auch in
Euroland zu spüren ist und sich in den Da tenveröffentlichungen
entsprechend negativ niederschlägt. Aber auch die Quartalsbericht
erstattung war zuletzt betroffen. So legten die Baustoffhersteller
Holcim und Wienerberger enttäuschende Resultate vor und verwiesen
dabei insbesondere auf die durch die Immobilienkrise stark
eingebrochene Bauaktivität in Großbritannien und den USA. Ein Trost
in dem Umfeld, in dem außerdem noch ein wieder anziehender Ölpreis
für Verunsicherung sorgte, war lediglich, dass die Abwärtsbewegung
der Kurse aufgrund der Urlaubssaison von sehr niedrigen Umsätzen
begleitet wurde.

Auch in den kommenden Wochen ist ein Durchbruch des Aktienmarktes
nach oben wenig wahrscheinlich. Vielmehr ist mit anhaltend starken
Schwankungen zu rechnen, bei denen neue Schreckensmeldungen aus dem
Finanzsektor für Schwächeanfälle sorgen könnten. Vor diesem
Hintergrund erscheinen auch neue Jahrestiefststände unterhalb von
6000 möglich. Die gleiche Wirkung könnten negative Nachrichten von
der Konjunkturfront entfalten.
Es gibt jedoch auch er mutigende Signale. So hat sich in den letzten
Wochen die M&A-Aktivität, bis zum Jahr 2007 eine der
Hauptantriebskräfte des Bullenmarktes, wieder ein wenig belebt. Vor
allem aber hat sich mit den Rohstoffpreisen eines der zentralen
Risiken dieses Jahres entscheidend abgeschwächt. Insbesondere der
starke Rückgang der Rohölnotierungen ist eine Entlastung. Das
betrifft nicht nur die direkten Folgen für den Konsum und die
Unternehmenserträge. Auch die Zentralbanken dürften die Entwicklung
mit Wohlwollen verfolgen, nachdem sie weltweit von den kräftig
anziehenden Inflationsraten in Alarmstimmung versetzt worden sind.
Das Risiko steigender Leitzinsen hat sich vermindert. Hinzu kommt,
dass, quasi als Ersatz für eine Leitzinssenkung, der Euro deutlich
nachgegeben hat. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit Eurolands.

Außerdem gibt die Bewertung keinen Anlass zur Beunruhigung. Der
Dax weist auf Basis der Gewinnprognosen für 2008 ein
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 12 auf. Für den kommenden
Turnus liegt das KGV bei knapp 10. Das ist bei einem Durchschnitt der
letzten vier Jahre von rund 14 nicht ungünstig. In die Schätzungen
für dieses Jahr ist bereits der heftige Ertragsrückgang des
Finanzsektors eingegangen. Erwartet wird ein Minus im aggregierten
Dax-Gewinn je Aktie von rund 7%. Allerdings müssen die Schätzungen
für das nächste Jahr noch deutlich gesenkt werden. Derzeit wird ein
Gewinnwachstum von über 15% prognostiziert, was auf Revisionsbedarf
hindeutet. Die niedrigen KGVs sagen somit relativ wenig über die
Ergebnisse aus, die tatsächlich im nächsten Jahr zustande kommen
werden. Sie sagen aber etwas über die Aktienkurse aus: Auf dem
aktuellen Niveau hat der Markt die Finanzkrise und die
verschlechterte Ergebnisentwicklung bereits zu einem großen Teil
eingepreist.

(Börsen-Zeitung, 23.8.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Börsen-Zeitung
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